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Maedchenjagd

Maedchenjagd

Titel: Maedchenjagd
Autoren: Nancy Taylor Rosenberg
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sich zum hinteren Teil der Bar und warf ihm mit einem Lächeln über ihre Schulter zu: »Ach, und, Richard, ich habe mein Leben lang kein weißes rückenfreies Kleid besessen.«
    Es gab eine Menge Dinge, die Lily nie getan hatte, und sie waren weitaus bedeutender, als auf einer Party ein rückenfreies Sommerkleid zu tragen. Eines davon war, eine Affäre zu haben. Auch wenn John ihr seit Jahren vorwarf, ihn zu betrügen, war Lily ihm immer treu geblieben, ungeachtet der Anschuldigungen und der Tatsache, dass sie keinen Sex mehr hatten.
    Als sie sich ihren Weg durch die Menge bahnte, bemerkte sie Oberstaatsanwalt Paul Butler, der auf dem Weg zum Ausgang war. Er war ein kleiner, ernster Mann Mitte fünfzig, der sich selten unter das gemeine Volk mischte. »Paul«, sagte sie, »ich habe dich gar nicht gesehen, sonst wäre ich zu dir gekommen. Vermutlich hat dir deine Sekretärin ausgerichtet, dass wir morgen eine Sitzung zum Lopez/McDonald-Fall haben.« Der Tequila hatte sie hart erwischt auf den leeren Magen. Sie zwang sich, nüchtern zu wirken und deutlich zu sprechen.
    »O ja«, sagte er mit leerem Blick. »Kannst du kurz mein Gedächtnis auffrischen?«
    »Doppelmord, Teenager, ein Pärchen … der Junge wurde geschlagen und nierdergeknüppelt, das Mädchen vergewaltigt und verstümmelt. Fünf Verdächtige sind in U-Haft, allesamt Hispanoamerikaner. Wahrscheinlich eine Gang.« Es war der Aufmacher in den Zeitungen gewesen, ein spektakulärer Fall, beide Opfer waren im Hochbegabtenprogramm am College gewesen. »Du hast selbst um die Sitzung gebeten, Paul. Der Fall wurde mir noch vor meiner Beförderung zugewiesen, und ich habe schon die ganze Aufarbeitung gemacht. Erinnerst du dich nicht?« Sie bemühte sich, ungezwungen zu klingen und die Tatsache herunterzuspielen, dass er in einem Fall dieser Größenordnung nicht informiert war.
    Butler sah auf den Boden und hustete. »Diese Woche muss der Haushalt geplant werden, der Bürgermeister liegt mir ständig in den Ohren.«
    Als er an ihr vorüberging, nahm sie seine Hand und rückte noch näher, so dass sie seine persönliche Sphäre verletzte. »Ich wollte nur sagen, wie dankbar ich dir für die Beförderung bin. Ich weiß, dass da noch andere waren, die du berücksichtigen musstest.«
    Selbst im Schummerlicht der Bar konnte sie erkennen, wie er, peinlich berührt, dunkelrot anlief. Sie war ihm viel zu nah gekommen, eine schlechte Angewohnheit, die von ihrer eitlen Weigerung, außerhalb des Büros eine Brille zu tragen, herrührte. Sie sah auf seinen Kopf hinunter und bemerkte sein schütteres Haar, das ihr so noch nie aufgefallen war. Er trat zurück, als wüsste er, was sie dachte.
    »Sicher, sicher«, sagte er. »Nun, dann denke ich, werden wir morgen diesen Lopez/McDonald-Fall besprechen.«
    Als er sich an ihr vorbeizwängte, wurde er an sie gedrückt, an ihre Brust, ihren Busen. Der erschrockene Blick in seinen Augen brachte sie beinahe zum Lachen. Glaubte er wirklich, dass sie mit ihm flirtete? Das war absurd. Wenn sie mit irgendjemandem flirtete, dann gewiss nicht mit Butler. Sie lehnte sich an das Messinggeländer der Bar und sah ihm zu, wie er auf seinen kurzen Beinen davoneilte, und dachte darüber nach, dass sie in einer Welt lebte, in der eine ernstgemeinte Dankbarkeitsäußerung so selten war, dass sie Argwohn weckte. Vielleicht war es Butler nicht einmal bewusst, dass er sie befördert hatte. Am Ende hatte seine Sekretärin wie bei der Lotterie einfach ihren Namen aus einem Hut gezogen.
    Nein, Blödsinn, das war unmöglich. Er hatte Fowler in einem Wutanfall in sein Büro gerufen und ihn degradiert und Lily nur wenige Stunden später seine Stelle angeboten. Fowler war zwar weiterhin ein Dienstvorgesetzter, doch nur mehr im Municipal Court, was einen deutlichen Abstieg bedeutete. Gerüchteweise war er wegen eines milden Urteils im Fall eines besonders grausamen Sexualverbrechens so in Rage geraten, dass er unangekündigt in die Räumlichkeiten von Richter Raymond Fisher gestürmt war, geradewegs in dessen Badezimmer, wo er den vierzigjährigen Richter dabei antraf, wie er Kokain schnupfte. Das war genau der Grund, weshalb Lily auf die Richterbank wollte. Wie Öl, das auf dem Wasser schwimmt, hatten sich ein paar der größten Schleimer an die Spitze gearbeitet und trieben dort nun, unberührbar, während ihr Schatten wuchs und alles Leben, das unter ihnen war, erstickte. Richter Fisher wurde beim Kokainschnupfen erwischt, und Fowler wurde degradiert. Eine
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