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Maedchenjagd

Maedchenjagd

Titel: Maedchenjagd
Autoren: Nancy Taylor Rosenberg
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Sohn erdrosselt. Meine Frau hat mich gedeckt, sonst wäre ich heute noch im Gefängnis. Mein Sohn hat mir nie verziehen. Er hasst mich immer noch.« Der Mann hielt inne, zu aufgewühlt, um weiterzusprechen. Schließlich sagte er: »Töte mich jetzt, oder ich suche mir jemand anderen, der es tut.«
    Der große Mann musste ein Lachen unterdrücken. Wo sollte er jemanden finden, der ihn umbrachte, und noch dazu kostenlos? Der Kerl sollte ihm dankbar sein. Die meisten Menschen würden sich das niemals trauen. Nicht so sehr, weil sie Angst davor hatten, im Gefängnis zu landen. Vielmehr hielt sie das Bewusstsein zurück, dass sie ihre Tat mit ihrem Glauben an einen Schöpfer in Einklang bringen mussten. Wenn es hart auf hart kam, war jeder gläubig.
    »Auch meine Zeit wird kommen, mein Freund.« Er trat näher und senkte seine Stimme zu einem Flüstern. »Wenn ich deine Schulter berühre, dreh dich um und neige den Kopf nach unten, so dass dein Kinn fast die Brust berührt. So ist es am besten. Du wirst sofort tot sein und keine Schmerzen haben.«
    Schweigend sahen sie sich in die Augen. Der Mann, der bald tot sein würde, war schweißgebadet und zitterte merklich. Der große Mann wusste, dass es falsch war, ihn noch länger leiden zu lassen. Sanft berührte er seine Schulter, und der andere drehte sich um, senkte den Kopf und blieb ganz ruhig stehen. Leise murmelte er vor sich hin, höchstwahrscheinlich ein Gebet. Der Große nahm den Finger vom Abzug, schenkte ihm noch ein paar Sekunden Leben.
    In dem Moment, als der Mann zu murmeln aufhörte, hob er die Waffe, stützte sie mit der freien Hand und zielte. »Wir sehen uns auf der anderen Seite.«
    Eine laute Explosion erschütterte die Stille. Die Kugel bohrte sich in den Hinterkopf des kleineren Mannes. Er liebte das Geräusch eines toten Körpers, der auf dem Boden aufschlug. Es erinnerte ihn an einen umstürzenden Baum in der einsamen Wildnis; heute allerdings war er Zeuge. Es war perfekt, weil kein Wind, kein Verkehrslärm und kein Hundebellen störten.
    Der blutige und leblose Körper seines Freundes lag am Boden. Mit einer kleinen Taschenlampe suchte der Mann den Boden ab. Als er fand, wonach er suchte, hob er es auf und steckte es in die Tasche. Dann schob er die Pistole in den Bund seiner Jeans, wischte seine Fingerabdrücke von der Taschenlampe und schleuderte sie ins Gebüsch. Ein letzter Blick, um sicherzugehen, dass er nichts übersehen hatte, dann zog er den Reißverschluss seiner Jacke nach oben und kletterte den Hang hinauf.

[home]
    1
    Mittwoch, 13 . Januar
Ventura, Kalifornien
    A ls die Geschworenen sich gesetzt hatten und die Angeklagte an ihren Platz neben dem Anwalt am Tisch der Verteidigung geführt worden war, trat der Gerichtsdiener vor den Richtertisch. »Erheben Sie sich«, ordnete Leonard Davis an. »Kammer siebenundvierzig des Superior Court von Ventura County ist hiermit zusammengekommen. Den Vorsitz hat Richterin Lillian Forrester.«
    Eine große, schlanke Rothaarige trat durch die hintere Tür in den Gerichtssaal, und die schwarze Robe flatterte um ihre Beine, als sie die drei Stufen zur Richterbank hinaufstieg. Lilys Haare waren eines ihrer hervorstechendsten Merkmale, und sie trug sie etwas mehr als schulterlang. Heute hatte sie ihr Haar im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ein paar Strähnen hatten sich schon daraus gelöst und lockten sich auf ihrer Stirn und in ihrem Nacken. Ihre Haut war hell, mit vereinzelten Sommersprossen auf Nase und Wangen. Sie war eine außergewöhnliche Frau, mit einer natürlichen Schönheit und feinen Gesichtszügen.
    Lily war bewusst, dass die Verfolgung von Straftätern ein Katz-und-Maus-Spiel war. In der Mehrheit der Fälle kam es nicht einmal zu einem Prozess. Wenn jeder Fall die Zeit und den Aufwand eines Geschworenengerichts beanspruchen würde, dann würde das Justizsystem kollabieren. Selbst in den grauenhaftesten Mordfällen wurde der Fall meist mit einer Einigung der Parteien vor der Verhandlung abgeschlossen. Aber in Fällen von dieser Größenordnung war ein Vergleich nicht so einfach zu erzielen. Das System glich einer Boa constrictor. Je länger ein Straftäter ausgequetscht wurde, desto mehr Fakten kamen ans Tageslicht und entsprechend williger wurde der Angeklagte, das angebotene Strafmaß anzunehmen. Das traf vor allem auf jene Fälle zu, in denen die Alternative der Tod war.
    Der Gerichtssaal war überfüllt. Lily hatte verfügt, dass keine Fernsehaufnahmen gemacht wurden, und
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