Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madru

Madru

Titel: Madru
Autoren: Frederik Hetmann
Vom Netzwerk:
linken vorderen Ecke im Wiesenboden stecken. Während sich Jessach aus seinem Gelaß befreite, rannten alle Träger bis auf einen davon.
    Der eine aber, wohl der, welcher gestolpert war, lag am Boden. Das Gesicht zur Erde gewandt, die Arme weit von sich gestreckt. Aus dem Fellwams, das er trug, ragte ein langer Pfeil mit gefiedertem Ende. Der Pfeil zitterte noch.
    Jessach sah verwundert auf den Leblosen. Er dachte unentwegt nur daran, daß er jetzt ganz allein hier war. Allein mit den Gräsern, den Schmetterlingen und dem Vogelgezwitscher. All das schien ihm unerträglich.
    Er zurrte das Schwertgehänge, das er auf dem Rücken trug, nach vorn und zog die Klinge aus der Scheide. Erst jetzt wagte er sich näher an den Leblosen heran. Mit der Linken griff er vorsichtig nach dem aus dem Fell ragenden Pfeil. Kaum hatte er diesen berührt, da durchfuhr ein stechender Schmerz seinen ganzen Körper. Augenblicklich war er wie gelähmt. Seine Hand klebte an dem Pfeil fest. Auch seine Beine vermochte er nicht zu bewegen. Der Schmerz ließ nicht nach.
    Jessach merkte, daß er gellend schrie. Er wollte nicht schreien. Er wußte, was er seiner Ritterehre schuldig war. Der Schrei rann aus ihm heraus wie eine Fortsetzung des Schmerzes, der mit seinem Blut durch den Körper kreiste. Er schrie immer noch, als die Soldaten herankamen. Das letzte Stück bis zu der umgekippten Sänfte legten sie im Laufschritt zurück.
    Keuchend kamen sie heran und starrten auf den wie leblos daliegenden Eingeborenen und auf den vornübergebeugten, mit der Linken an dem Pfeil festklebenden Ritter. Der wollte einen Befehl geben, aber es gelang ihm nicht, irgendwelche Worte zu bilden. Einer der Soldaten riß sein Schwert heraus, berührte mit der flachen Klinge erst den Pfeil, dann den Träger, schließlich den Ritter. Der kreisende Schmerz in Jessach war sofort vorbei. Er konnte die Hand jetzt öffnen, den Pfeil loslassen.
    Der Träger sprang auf, zitterte noch. Man riß ihm den Pfeil aus dem Rücken. Es floß kein Blut. Jessach sah keine Wunde. Dann sagte der Waldmensch etwas in seiner Sprache und einer der Soldaten drückte ihm eine Axt in die Hand. Der Träger schlug damit die Pfeilspitze ab. Sie zerbröckelte. Der Mann wollte fortrennen. Die Soldaten, die im Halbkreis um ihn gestanden hatten, packten ihn. Als sie ihn wieder losgelassen hatten, gab der Waldmensch mit fuchtelnden Händen zu verstehen, sie sollten sich beeilen, von diesem Platz wegzukommen.
    »Und die anderen Träger?« fragte Jessach den Sergeanten, der das Kommando bei der Wachmannschaft hatte.
    »Die werden wir nie wiedersehen, Herr.«
    »Aber warum das alles?« klagte Jessach mit Eigensinn in der Stimme, als könne er so den Zwischenfall ungeschehen machen, »was hat das zu bedeuten?«
    »Ein Elfenschuß, Herr.«
    »Was ist das?«
    Ein Pfeil, von dem ein Zauber ausgehe, der festbanne. Der Bann könne gebrochen werden, wenn man den Pfeil mit Eisen berühre. »Warum gerade mit Eisen?«
    Das wisse er nicht. Es sei eben so.
    »Sei eben so, sei eben so«, äffte der Ritter ihn wütend nach. Sie seien aus dem Hinterhalt beschossen worden. Er werde das nicht ungestraft hinnehmen.
    Es wäre besser umzukehren, sagte einer der Soldaten. So ein Elfenschuß sei ein schlechtes Omen. Deswegen wären die anderen Träger auch davongelaufen, erklärte der Sergeant.
    »Nichts da«, erwiderte Jessach, sie seien hier als Vertreter eines mächtigen Königs. »Unsere immer siegreiche Armee!« Er werde Mittel und Wege finden, dem Ansehen Seiner Majestät auch hier in der Einöde Geltung zu verschaffen. Ein Vogel tirilierte. Am liebsten hätte er ihn erschlagen, aber er flog in dem hohen Raum unter dem Himmel.
    »Wo ist das Feldzeichen? Warum wird es mir nicht vorangetragen?« fragte Jessach einen Ton schroffer.
    »Gestattet den Hinweis«, sagte der Sergeant vorsichtig, »aber es ist durchaus nicht üblich, ja sogar gegen das Reglement, bei einem Marsch im Grenzland das Feldzeichen offen zu zeigen.« Es befinde sich in der Kiste, die an seiner Sänfte hinten aufgeschnürt sei.
    »Holt es heraus … auf der Stelle und steckt es auf eine Stange. Ich befehle, daß man es von nun an mir unbedingt immer voranträgt. Wir marschieren zum nächsten Dorf und beziehen dort Nachtquartier. Es gibt doch Dörfer hier in der Nähe oder?«
    »Im Freien wären wir sicherer. Wir könnten über Nacht drei, vier große Feuer unterhalten«, erklärte der Sergeant.
    »Es bleibt bei dem, was ich angeordnet habe«, sagte Jessach.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher