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Madonna

Madonna

Titel: Madonna
Autoren: Kathrin Lange
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Brunhild schien diese Phase nun gekommen zu sein.
    »Nun … ja«, gab Katharina zu. Im Gegensatz zu ihrer Mutter hatte sie Brunhild nicht nur von der Gasse und den Schatten erzählt, die in ihren Träumen auftauchten, sondern auch von Richard und seiner sanften Berührung.
    »Hast du wieder R …«, setzte Brunhild nun an, doch Katharina unterbrach sie mitten im Wort.
    »Bitte!«, sagte sie. Nur mit den Augen deutete sie in Hiltruds Richtung.
    Brunhild sah es und verstand, dass Katharina nicht in Gegenwart der anderen Frau über ihre Träume sprechen wollte. Sie lächelte schwach. Dann schweifte ihr Blick zu der Frau am Fenster. »Willst du dich nicht ein wenig ausruhen?«, fragte sie. »Du hast so viele Stunden bei mir gesessen. Du solltest ein bisschen Schlaf nachholen.«
    Hiltrud blinzelte mehrmals kurz nacheinander. Katharina konnte förmlich mit ansehen, wie sich hinter ihrer Stirn die Überzeugung festigte, dass sie fortgeschickt wurde, um das folgende Gespräch nicht mitanhören zu können. Doch offenbar siegte ihre Müdigkeit über die Neugier. Sie nickte knapp. »Danke. Ja.« Mit diesen zwei Worten verschwand sie und schloss die Kammertür hinter sich.
    »Die ist beleidigt«, murmelte Brunhild. Sie klang nicht im Geringsten betroffen.
    Katharina fürchtete, dass sie morgen unter Hiltruds schlechter Laune zu leiden haben würde, aber das war ihr im Moment gleichgültig. Sie blickte Brunhild ins Gesicht. »Ja«, sagte sie leise.
    Brunhild schaute fragend.
    »Ich meine: Ja, ich habe wieder von Richard geträumt.«
    Brunhild senkte den Kopf. »Ach, Kindchen!«, murmelte sie und tätschelte Katharinas Hände.
    Katharina spürte, wie sich Tränen hinter ihren Lidern zusammendrängten. Sie zwinkerte sie fort.
    Brunhild machte einen Versuch, sich etwas aufrechter hinzusetzen. Ihr Gesicht war blass, tiefe Schatten lagen unter ihren Augen, und Katharina wusste, dass es von dem Flüssigkeitsverlust kam. Die Anstrengung der Bewegung führte dazu, dass Brunhild würgen musste. Rasch nahm Katharina die Schüssel und hielt sie ihr hin, doch es kam kaum etwas außer etwas rostrotem Schaum.
    Brunhild blickte darauf, schwieg jedoch dazu.
    Katharina stellte die Schüssel wieder auf den Boden. Sie dachte an das Buch auf ihrem Nachtkästchen. Als sie sich wieder aufrichtete, erzählte sie Brunhild davon.
    »Der Jungfrauenspiegel?« Die ältere Frau lachte leise, was dazu führte, dass sie erst husten und dann erneut würgen musste. Diesmal jedoch hielt sie Katharina davon ab, die Schüssel hochzunehmen. »Da kommt nichts mehr«, sagte sie, als ihr geschundener Körper sich wieder beruhigt hatte. Ihre Augen glänzten ungesund.
    Katharina schüttelte den Kopf. »Nicht der ganze Jungfrauenspiegel. Dr. Spindler hat mir die Stellen abgeschrieben, die sich mit dem Leben von Witwen befassen.«
    Brunhild verzog anerkennend das Gesicht. »Viel Arbeit. Er scheint dich sehr zu schätzen.«
    Katharina nickte. Das tat der Priester wohl tatsächlich. Katharina war einer der wenigen Menschen, die er nicht mit dem vertraulichen Du anredete.
    »Hast du in das Buch schon hineingeschaut?«, fragte Brunhild.
    »Ja. Offenbar kennst du es auch.«
    Darauf antwortete Brunhild nicht. Stattdessen fragte sie: »Dieser Richard. Wie hieß er noch gleich weiter?«
    »Richard Sterner.« Es zerriss Katharina fast das Herz, den Namen auszusprechen.
    »Richard Sterner. Genau. Du liebst ihn?«
    Diesmal nickte Katharina nicht. Es war nicht nötig, Brunhild kannte die Antwort auf ihre Frage.
    Ja.
    »Und er liebt dich auch.«
    Ja.
    »Aber er ist fortgegangen«, sagte Brunhild. Sie wollte etwas nachschieben, aber Katharina hielt sie davon ab, indem sie warnend die Hand hob. Seit sie Brunhild von ihm erzählt hatte, wollte die ältere Frau wissen, warum er sie verlassen hatte. Doch Katharina konnte sich nicht damit befassen. Herrgott, sie konnte ja nicht einmal an ihn denken, weil es einfach zu sehr schmerzte. »Ja«, sagte sie darum möglichst kurz angebunden. »Er ist fort. Und das ist gut so! Denn wenn er da wäre, wäre es mir erst recht unmöglich, die Regeln zu befolgen.«
    Bei der Erwähnung des Wortes »Regeln« hob Brunhild fragend die Augenbrauen.
    »Die Regeln für ein gottgefälliges Leben«, präzisierte Katharina.
    »Ah! Das Buch!« Die alte Frau schüttelte missbilligend den Kopf. »Als Witwe sei vorsichtig wie Judith, keusch wie die heilige Anna und mildtätig und geduldig wie Elisabeth von Thüringen!« Sie schnaubte mit einer Kraft, die Katharina
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