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Macabros 084: Horron - Kontinent des Vergessenen

Macabros 084: Horron - Kontinent des Vergessenen

Titel: Macabros 084: Horron - Kontinent des Vergessenen
Autoren: Dan Shocker
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durch, griff nach seiner Zigarettenschachtel
und wußte später selbst nicht zu sagen, wie er es
schaffte, in der Eile ein Stäbchen herauszunehmen und
anzuzünden. Er lehnte sich zurück und starrte scheinbar
konzentriert auf das Zeichenbrett, während in Wirklichkeit
farbige Kringel vor seinen Augen tanzten.
    Die Tür wurde geöffnet.
    Phil Reegan, einundsechzig Jahre alt, groß und breit wie ein
Preisboxer, stand auf der Schwelle, starrte in den hellerleuchtenden
Zeichensaal und gab einen überraschenden Ausruf von sich.
    Pallert wandte den Kopf, hob die rechte Hand, und der Anflug eines
Lächelns zeigte sich auf seinem Gesicht. »Hallo,
Phil!«
    Wie die meisten langjährigen Angestellten der
›Karkins-Corporation‹ kannte auch Jonathan Pallert den
Mann, der Wächter und Detektiv in einer Person war.
    Der schwere Schlüsselbund rasselte in Reegans rechter
Hand.
    »Nanu, Mister, Pallert? Noch bei der Arbeit?«
    Die Arme leicht nach außen gewinkelt, als könne er vor
lauter Kraft nicht gehen, trat der Mann zu dem Tisch, an dem der
Architekt saß.
    Pallert hatte rasende Schmerzen. Sie dehnten sich bis in die
Gliedmaßen aus. Er meinte, von unsichtbaren Händen gereckt
und gedehnt zu werden, und unwillkürlich drängte sich ihm
das Bild eines Opfers auf, das man auf eine Streckbank gebunden
hatte. Er selbst war dieses Opfer…
    Er fand, daß es ihm gelang, sich phantastisch
zusammenzureißen. Phil Reegan blieb nur für fünf
Minuten im Zeichensaal, aber Pallert kamen sie vor wie eine kleine
Ewigkeit.
    Reegan guckte ihn manchmal zwar merkwürdig an – so kam
es ihm jedenfalls vor – schien aber seinen wahren Zustand nicht
zu erkennen. Der Wächter ließ ihn wissen, daß es
jetzt etwa zwei bis zweieinhalb Stunden dauern würde, ehe er
wieder in dieser Etage auftauchte, und verschwand nach
draußen.
    Erschöpft ließ sich Pallert in den bequemen Stuhl
zurückfallen.
    Es war neun Uhr. Der Mond stand als volle Scheibe schräg
über dem Dach des gegenüberliegenden Hochhauses.
    Pallert saß ruhig auf seinem Platz. Die Anspannung war von
ihm abgefallen wie eine zweite Haut. Die Schmerzen verebbten.
    Er spreizte die Hände. Die Sehnen und Muskeln knarrten.
Pallerts Augen wurden groß und rund, als er etwas bemerkte, was
er bisher nie bei sich gesehen hatte.
    Seine Hände waren brauner geworden und wirkten viel klobiger.
Sie kamen ihm fremd vor.
    Die Augen des Mannes verengten sich.
    Er erhob sich. Seltsamerweise ergriff ihn keine Panik, als er
diese Feststellung machte.
    Er ging zum Fenster und starrte die große, fahle Scheibe an,
die wie ein riesiges rundes Auge am nächtlichen Himmel
stand.
    Eine ungekannte Wehmut, eine Sehnsucht nach einem fernen Kontinent
wurde in Pallert wach, während das fahl Licht einen Körper
einhüllte und eigenartige Gefühle in ihm weckte.
    Ich muß zum Arzt, hämmerten seine Gedanken. Mit mir
stimmt etwas nicht… ich bin krank… vielleicht ist das der
Anfang des Wahnsinns…
    Aber dann waren die Bilder in und um ihn doch stärker als die
Vernunft, mit der er auf den Boden der Tatsachen zurückkommen
wollte.
    »Horron«, flüsterte er den seltsamen, fremd
klingenden Namen, unter dem ein zufälliger Lauscher sich nichts
hätte vorstellen können.
    Aber Jonathan Pallert, der eine eigenartige Metamorphose
durchmachte, die sich im Moment körperlich noch am wenigsten
auswirkte, konnte sich unter Horron etwas vorstellen.
    »Ich will zurück nach Horron…«
     
    *
     
    In der anderen Welt, die so klein war, daß menschliche Augen
sie nicht sehen konnten, spielte sich in der gleichen Stunde ein
nicht minder erregendes Schauspiel ab…
    Carminia Brado war entschlossen, alles auf eine Karte zu setzen.
Viele Auswahlmöglichkeiten hatte sie nicht. Der Gedanke,
daß sie möglicherweise als einzige und letzte für den
Rest ihres Lebens im Zentrum der Dämonenwelt Nh’or Thruus
als Sklavin gefangen war, erfüllte sie mit Zorn und Wut.
    Sie handelte nicht leichtfertig, in dem sie sich entschloß,
das mysteriöse Gewölbe der versteinerten Riesenleiche zu
verlassen. Ihre Entscheidung – so fand die Frau – war die
einzig mögliche und richtige.
    Sie ging kein unkalkulierbares Risiko ein. Sie hatte nichts mehr
zu verlieren, sondern nur noch zu gewinnen.
    Carminia Brado begann zu rennen.
    In den dämmrigen, verschachtelten Gängen und Korridoren
war ihre Annäherung an die fragliche Höhle, die das Zentrum
dieser Welt bildete, nicht zu verfolgen. Die magische Kraft von
Velenas Armreif wirkte sich voll
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