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Luther. Die Drohung

Luther. Die Drohung

Titel: Luther. Die Drohung
Autoren: N Cross
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stille Mädchen ganz hinten hebt schüchtern die Hand.
    »Ja?«
    »Stephanie.«
    »Ja, Stephanie?«
    »Bekommen Sie einen Kleidungszuschuss oder so?«
    Zoe sieht sie ernüchtert an.
    »Denn Ihre Klamotten sind echt voll schick«, fährt Stephanie fort.
    Ihre Klassenkameraden verdrehen entnervt die Augen, zischen
verächtlich.
    Stephanie wird rot, und plötzlich steht Zoe völlig auf ihrer Seite.
Es liegt in ihrer Natur.
    »Gute Frage«, antwortet sie. Und während sie das sagt, fängt sie an,
es zu glauben. »Nein, wir bekommen keinen Kleidungszuschuss, aber es wird
erwartet, dass unser Äußeres jeden Tag einem gewissen Mindestmaß entspricht.
Und wenn ich Mindestmaß sage, meine ich – die Garderobe für eine königliche Hochzeit.«
    Stephanie lächelt engelsgleich. Zoe lächelt zurück, möchte ihr
helfen, möchte, dass sie von dieser sinnlosen kleinen Diskussionsveranstaltung
etwas Wertvolles mitnimmt.
    »Für Männer ist es leichter«, sagt Zoe zu ihr. »Das mit den
Klamotten. Ihre Frauen kaufen ihre Krawatten.«
    »Rassistin«, sagt Adam.
    »Wie bitte?«
    Adam sinkt in sich zusammen, aber nur ein wenig, verschränkt die
Arme, lässt sich in seinen Stuhl zurückfallen, sieht ihr in die Augen. »Das ist
rassistisch gegen Männer.«
    Zoe spürt, wie ihr Mundwinkel zuckt. Sie weiß, dass es zwecklos ist,
auf diesen Jungen einzugehen. Schließlich ist er freiwillig hier; er versucht
einfach nur, sich so undurchschaubar und selbstzerstörerisch zu verhalten, wie
pubertierende Jungen das anscheinend müssen. Aber er ist trotzdem ein Arsch.
    Sie fragt: »Entschuldige, wie war dein Name noch mal?«
    »Adam.«
    »Okay, Adam. Ich habe einen Vorschlag. Wie wär’s, wenn wir rausgehen
und hier vor Ort eine Umfrage starten? Dann finden wir heraus, wie viele Männer
in dieser Kanzlei – das sind übrigens etwa fünfundsechzig Prozent der
Mitarbeiter und etwa achtzig Prozent der Seniorpartner – ihre Krawatte selbst
gekauft haben.«
    Adam grinst, als wäre er der Sieger. Zoe ist hin- und hergerissen,
ob sie aufgeben oder sich mit ihm anlegen soll.
    Dann klopft es leise an der Tür, und Miriam, ihre persönliche
Assistentin, steckt den Kopf in den Besprechungsraum und signalisiert ihr mit dem
Daumen und dem kleinen Finger einen Anruf. Ihre Lippen formen die Worte: John hat
angerufen.
    Zoe bedankt sich bei allen dafür, dass sie gekommen sind, sammelt
ihre Notizen ein, wirft Adam einen vernichtenden Blick und Stephanie ein
ermutigendes Lächeln zu und geht.
    Sie eilt in ihr Büro und wählt Johns Nummer.
    »Zoe«, sagt er.
    Sie hört, dass er draußen ist. »Wo bist du?«
    »Jetzt gerade? An einem Kanal.«
    »Was machst du?«
    »Ich schaue auf eine tote Taube, die in einem Einkaufswagen gefangen
ist.«
    »Hübsch.«
    »Wie geht’s dir?«
    »Clive hat mich gezwungen, mit den Schülern zu sprechen.«
    »Ich hab dir ja gesagt, dass er das macht.«
    »Tja, du hattest recht. Er ist ein Arschloch.«
    »Irgendwelche Fortschritte bei der Hattem-Sache?«
    Die Hattem-Sache ist Zoes größter aktueller Fall. »Der Typ kommt
später noch vorbei, oder morgen, will mit uns zusammenarbeiten«, sagt sie.
    »Welcher Typ?«
    »Mark Dingsbums. Von Liberté Sans Frontière .«
    »Hippie?«
    »Scheckbuchhippie«, sagt sie und hasst sich selbst dafür. »Alles
Gras und Yeah.«
    Luther lacht. »Du wirst es überleben.«
    »Das hoffe ich. Ich bereue, dass ich mich überhaupt darauf
eingelassen habe.«
    Sie fährt sich mit einer Hand durchs Haar, merkt, dass sie dringend
eine Zigarette braucht.
    Sie fasst ihren Pony zusammen und zieht leicht daran, gerade genug, dass
es ein kleines bisschen wehtut.
    Das macht sie schon, seit sie sieben Jahre alt war. Es hilft bei
Stress. Sie weiß nicht, warum. Manchmal fürchtet sie, eine kahle Stelle zu
bekommen, wie jene gestressten Papageien, die sich alle Federn ausreißen bis auf
die, die sie nicht erreichen können, sodass sie am Ende auf ihrer Stange sitzen
wie ofenfertige Hähnchen mit Halloween-Masken.
    Sie fragt: »Hast du mit Rose gesprochen?«
    »Ja. Ja, hab ich.«
    Und jetzt weiß sie, warum sie an ihren Haaren zieht. Es hat nichts
mit dem Hattem-Fall zu tun. Es ist wegen John und seiner Unfähigkeit, zu
anderen Nein zu sagen – außer zu seiner Frau.
    »Was ist passiert?«, fragt sie.
    »Darüber kann ich nicht sprechen«, antwortet er. »Zu viele Leute in
der Nähe. Aber ich kann sie nicht heute fragen. Ich kann einfach nicht.«
    Wenn jemand anders lügt, merkt John das normalerweise auf den
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