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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber
Autoren: Susanne Fülscher
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reden«, sagte er ebenso eindringlich wie leise.
    »Bitte, Henrik! So kann es doch nicht weitergehen!«
    »Sie will eben nicht, verstehst du? Ich hab sie oft genug gebeten, endlich einen Schlußstrich zu ziehen.«
    »Also seid ihr noch … richtig zusammen?«
    »Mhm …«, nuschelte Henrik.
    Wahrscheinlich sollte es ja bedeuten.
    »Und seid ihr noch in dem IVF-Programm?«
    »Sylvie, ich muß jetzt Schluß machen. Alles Gute für dich.«
    Ohne zu fackeln, legte Henrik auf. Wahrscheinlich wollte er nicht, daß ich in seine Familienidylle hineinfunkte, oder er hatte schlicht und einfach Angst vor Toni. Ich trat ans Fenster, schaute auf die letzten Nachzüglerraketen, und als eine riesige blau-rote Fontäne am Himmel aufging, biß ich die Zähne zusammen und wünschte mir selbst ein gutes neues Jahr.
    *
    Natürlich hatte ich für die Hochzeitsfeier meiner Mutter keine entsprechende Garderobe. Das kurzärmelige Vivienne-Westwood-T-Shirt war eindeutig zu kalt für die Jahreszeit; außerdemgab es in meinem Kleiderschrank sowieso keinen akzeptablen Rock zum Kombinieren. In meiner Not nutzte ich einen meiner Arbeitstage bei H & M, um im Laden nach einem Kleid Ausschau zu halten. Und weil so kurz nach Jahreswechsel nur Ramsch übriggeblieben war, entschied ich mich gezwungenermaßen für ein Hängerkleid aus der »Mama«-Abteilung für werdende Mütter. Als ich an der Kasse zahlte, ertappte ich mich bei dem Gedanken, das Teil eines Tages Toni zu vermachen.
    Vielleicht hätte ich mich doch noch in anderen Geschäften umsehen sollen, denn der einzige Kommentar meines Vaters bezüglich meines Outfits war tatsächlich, in welchem Monat ich denn sei. Volltreffer. Ich grinste nur blöde und schaute mir die Kluft seiner Techno-Kids an. Plateauturnschuhe zu engen orangefarbenen beziehungsweise lila Stretchhosen mit bauchfreiem Glitzer-T-Shirt. Wenn die Mädels auch nicht schwanger aussahen, so doch schlicht und einfach billig.
    Die standesamtliche Trauung war wie befürchtet gleichermaßen öde und moralisierend, aber am unerträglichsten fand ich, daß Caroli links von mir saß und beim Kauen eines dieser rosafarbenen Aromakaugummis einen widerlichen Geruch verströmte.
    Immerhin machte meine Mutter den Eindruck, als sei sie rundherum glücklich. Alles an ihr leuchtete. Das rote Kostüm aus Rohseide, ihre Wangen, ihre frisch getönten Haare, deren Farbe in der Werbung wohl als Pflaume oder Aubergine bezeichnet wurde.
    Mein Bruder hatte mich noch kurz vor der Hochzeit zu überreden versucht, ihr gemeinsam einen dieser edlen Toaster aus Chrom zu schenken, aber ich hatte mit der Begründung abgelehnt, schon ein anderes Geschenk zu haben.
    100 rote Rosen – die hatte sich meine Mutter ihr Leben lang von meinem Vater gewünscht, jedoch nie bekommen. Jetzt stand sie strahlend und mit dem riesigen Rosenbouquet im Arm da, und ich registrierte genau den verkniffenen Blick meines Vaters. Tja, Dad – so sieht das aus, wenn man eine Frau glücklich macht.
    Zu meinem Erstaunen hatte Thomas seine ausgemergelte Carmen noch nicht abgesägt, die beiden waren im familientauglichen Volvo gekommen und nahmen mich nach der standesamtlichen Trauung mit in die Kunsthalle, wo der Empfang stattfinden sollte.
    Carmen saß am Steuer, Thomas drehte sich zu mir um und grinste: »Na, Baby? Hättest dir ja wenigstens für die Hochzeit unserer Mutter einen Begleiter zulegen können.«
    Es war nicht böse gemeint, aber ich fand es in meiner Situation beileibe nicht witzig, also erwiderte ich nur: »War grad keiner im Angebot.«
    »Ist dir eigentlich mal aufgefallen, daß du bei keiner einzigen Familienfeier in den letzten drei Jahrzehnten einen Freund dabeihattest?« nervte Thomas weiter. »Man munkelt schon, du seist lesbisch.«
    »Was vermutlich nicht das Schlechteste wäre.«
    Gott, was war mein Bruder für ein Spießer geworden! Wenn mich nicht alles täuschte, hatte er sich in geradezu obszöner Weise von seiner Freundin beeinflussen lassen. Immerhin brachte mich Thomas’ Stichelei zu der Überlegung, wen ich anläßlich dieses Festes am liebsten an meiner Seite gehabt hätte. Die Antwort war einfach: an erster Stelle Toni – ganz eindeutig –, an zweiter Stelle Karl.
    Der Empfang im »Café Liebermann« gestaltete sich entgegen meiner Erwartung recht angenehm – zumindest die erste Hälfte. Es gab leckere Kanapees, mit denen ich mich mit Unterstützung meines beleibten Onkel Ferdinand vollstopfte. Derweil lästerten wir im Duett über die
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