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Loriot - Biographie

Loriot - Biographie

Titel: Loriot - Biographie
Autoren: Dieter Lobenbrett
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war, wurde nun beim Mittzwanziger langsam ein ernsthaftes Problem. Dabei bot die Nachkriegszeit alle Möglichkeiten. Aber Vicco war ein wenig lethargisch, ziellos, befand sich in einem »Zustand ehrgeizloser Zufriedenheit« [48] , der einzig von den Briefen seiner Freunde torpediert wurde, die zumeist schon längst mit dem Studium begonnen hatten.
    Ausgerechnet vom Vater, der Offizier und stark der Tradition verhaftet war, kam ein geradezu exotischer Vorschlag. Er erinnerte sich einiger Zeichnungen des jungen Vicco und schlug ihm ein Studium an der Landeskunstschule in Hamburg vor. Das hielt auch Vicco von Bülow später für ungewöhnlich – ein Vater, der seinem Kind zur Kunst rät, statt ihm solche Flausen auszutreiben.

Landeskunstschule Hamburg und Willem Grimm
    Der junge Vicco hatte damals in Markoldendorf auch schon eine Freundin. Eines Tages, als er darüber sinnierte, mit welchen Zeichnungen er sich denn um einen der begehrten Studienplätze an der Hamburger Landeskunstschule (heute: Hochschule für bildende Künste) bewerben könnte, welche Zeichnungen Erfolg versprächen, da kamen sie gemeinsam darauf, es mit Akten zu versuchen. Die junge Dame, deren Namen er stets verschwieg, erklärte sich schnell bereit, Modell zu stehen. Dem in Sachen Erotik wenig erfahrenen Kriegsheimkehrer und Holzfäller kam das sicher entgegen. Vicco von Bülow zeichnete sie 70 Mal, mindestens, jedenfalls reichte er 70 Akte an der Schule ein. Große Hoffnungen durfte er sich nicht machen. Er war einer von 250 Bewerbern – und nur 20 wurden in den elitären Kreis aufgenommen.
    Zumindest mussten die Bewerber lediglich jene Mappe mit künstlerischen Arbeiten vorlegen und begutachten lassen. Auf die einstmals geforderte und als unverzichtbar angesehene handwerkliche Vorbildung verzichtete man angesichts der Umstände. So kurz nach dem Krieg, wo andere Dinge essenzieller waren als das Erlernen eines Handwerks. Der erste Schuldirektor Friedrich Ahlers-Hestermann, damals schon über 60 Jahre alt und somit über die bitteren Erfahrungen gleich zweier Weltkriege verfügend, erinnerte sich an die ersten Aufnahmeprüfungen: »Abgemagerte, graugesichtige junge Menschen defilierten an meinem Schreibtisch vorüber, die nun Künstler werden sollten, stockend davon sprachen oder fast tonlos ihre furchtbaren Erlebnisse erzählten.« Und weiter: »Alle diese jungen und zum Teil gar nicht mehr jungen Leute hatten Jahre der Fron des Kriegsdienstes oder der Gefangenschaft hinter sich, hatten die Augen voll der Bilder von Blut und Schlamm, Trümmern und Stacheldraht, hatten kaum ein wohnliches Heim, eine geregelte Bildung gekannt, hatten nur den dunklen Drang der künstlerischen Betätigung.« [49]
    Immerhin: Vicco von Bülows Mappe gefiel, er wurde aufgenommen.
    Ein großer Schritt für den Kriegsheimkehrer und Interims-Holzfäller, denn als Professoren waren große Namen an der Schule tätig. Im Herbst 1947 zog er nach Hamburg um, seine Habseligkeiten bestanden aus »6 Paar Socken und einigen feldgrauen Kleidungsstücken, die der Verewigung eines vormals großdeutschen Reiches gedient, dieses jedoch überlebt hatten« [50] . Ein feines Bild: ein tausendjähriges Reich wird überlebt von ein paar löchrigen Unterhosen und Socken. Mit 23 besaß er kaum mehr als ein paar Lebensmittelkarten – und vor allem die Zulassung zum Kunststudium. In Hamburg geriet er sofort in die Klasse von Willem Grimm, einem damals schon populären und angesehenen Maler, den Vicco von Bülow zeitlebens bewundern sollte. Auch die Mitstudenten gefielen dem jungen Vicco, er begann sich wohlzufühlen, die Klasse wurde sein wahres Zuhause, seine Familie. Angeführt vom großen Patron Willem Grimm.
    Grimm war im Herbst 1947 gerade 43 Jahre alt. Bereits als 18-Jähriger war er in die Künstlerkolonie Worpswede gezogen, wo er das Werk von Paula Modersohn-Becker kennen- und schätzen lernte. 1929 wurde er Mitglied der Hamburger Sezession, und in den folgenden Jahren sorgte er in der Kunstszene der Hansestadt für Aufsehen. Er übernahm schon 1930 einen ersten Lehrauftrag an der Landeskunstschule.
    Mit der Machtergreifung der Nazis zog sich Grimm aus dem künstlerischen Leben weitgehend zurück. Die Hamburger Sezession löste sich auf, weil sie ihre jüdischen Mitglieder nicht ausschließen wollte. Willem Grimm vermied politische Äußerungen, reiste viel und arbeitete schließlich als Landwirt auf dem Hof seines Vaters nahe Malente in Schleswig-Holstein – alles um dem Zugriff der
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