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Loriot - Biographie

Loriot - Biographie

Titel: Loriot - Biographie
Autoren: Dieter Lobenbrett
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winzige Acht-Quadratmeter-Zimmer ließ den künstlerischen Ambitionen wenig Raum. Auf dem Esstisch musste Vicco schreiben und zeichnen respektive auf dem Schreibtisch essen, denn es gab natürlich nur einen Tisch und einen Stuhl. Und seine Wirtin, jene gute Frau Groß, saß gern plaudernd auf seiner Bettkante, während er zu arbeiten versuchte. Auch die Aufträge für die strasse wurden weniger. Nach Veränderungen in der Redaktion der Zeitung fühlte sich Vicco von Bülow mit seinem Humorverständnis dort nicht mehr wohl. Kurz: Das Paar stand vor einer mehr als ungewissen Zukunft.
    Umso erstaunlicher, dass die beiden am 8. Mai 1951 in der Dorfkirche zu Hamburg-Nienstedten den großen Schritt wagten und heirateten. Dem voraus ging, wie es sich ziemte, ein formeller Heiratsantrag. Aber auch er geriet zum Ausweis absurder Komik. Fand er doch auf einem Friedhof statt. »Irgendwann, 1951, fragte ich sie bei einem Spaziergang über den Ohlsdorfer Friedhof, ob sie das Leben mit mir teilen wolle. Und sie hat zugestimmt, gewissermaßen über die Gräber hinweg.« [62] Das Paar bezog eine Einzimmerwohnung mit Küchen- und Badbenutzung in der Nähe des Dammtorbahnhofs.

Von wegen auf den Hund gekommen
    Im Frühjahr des Jahres 1953 eröffnete sich plötzlich und unerwartet eine ganz neue berufliche Perspektive. Die Zeitschrift die strasse war schon lange eingegangen, aber im selben Verlag erschien noch eine andere Illustrierte, seinerzeit noch recht unbekannt: der Stern . Für den konnte Vicco von Bülow immer mehr veröffentlichen. War der erste Versuch 1950 noch eine Eintagsfliege gewesen, folgten in den beiden Jahren danach immerhin 13 weitere Veröffentlichungen. Nicht atemberaubend viel für zwei Jahre, aber es wurde mehr.
    Es kam das Jahr 1953 und der bisherige Höhepunkt. Der Chefredakteur des Stern , Henri Nannen, gerade mal zehn Jahre älter als Vicco von Bülow und 1948 als Gründer der Zeitschrift in Erscheinung getreten, fand Gefallen an einer Idee des Zeichners, der sich hinter dem kryptischen Pseudonym Loriot verbarg. Die neue Serie sollte den Titel tragen: »Auf den Hund gekommen.« Sie startete im Februar 1953 mit zehn Zeichnungen, einer ganzen Seite im Heft.
    Darin nehmen kleine Männchen mit Knollennase, Stresemann und Melone auf dem Kopf die Rolle des Hundes ein und machen dazu Bemerkungen: Sie lecken dem Herrchen das Gesicht ab (»Pfui«), wühlen in der Abfalltonne (»Du bist und bleibst ein Mensch – du Ferkel!«) oder machen es sich in der Besucherritze des Ehebetts gemütlich (»Einer geht: Der Mensch oder ich!«). Allein diese kleine Verdrehung der Rollen machte aus den alltäglichen Szenen ohne jeden Unterhaltungswert groteske und freche Komik. Ein erstes Meisterstück dieses Loriot, das allerdings in der humorfremden Schaffenszeit des Wirtschaftswunders kaum Anklang fand.
    Nicht nur das. Henri Nannens Redaktion wurde mit wütenden Briefen überflutet, die Kommentare waren drastisch. So schrieben Leser in ihren Briefen im Juni 1953: »Die Bildfolge von Loriots ›Auf den Hund gekommen‹ ist ekelerregend und menschenunwürdig und kann einem das Interesse an Ihrer Zeitschrift Stern verleiden. Humor soll in einer solchen Zeitschrift nicht zu kurz kommen, aber derartige Zeichnungen sind alles andere als belustigend. Sie sind widerlich.« Oder es hieß: »Die Bilder sind so beschämend scheußlich, daß ich nicht eher wieder einen Stern kaufe, bis die Bildreihe beendet ist. Mit mir sind auch alle Bekannten einig. Soll die widerliche Bildreihe ein Scherz sein?« Oder gar: »Ich sehe in den Bildern eine starke Herabsetzung des ›Homo sapiens‹. So weit darf es doch nicht gehen. Können Sie denn nicht endlich damit Schluß machen? Mir wird speiübel dabei.« [63] Am lautesten protestierte aber der Klerus, der in der Umkehrung der Verhältnisse gar eine Gotteslästerung sah.
    Nur sieben Folgen gab es schließlich, dann nahm Nannen die Serie aus dem Heft. Und polterte auch noch erbost über den Zeichner mit dem prägnanten Pseudonym: »Der weiß genau, warum er seinen Namen verschweigt. Um seiner Familie die Schande zu ersparen!« [64] Die Cartoons bezeichnete er nunmehr als »Geschmiere« und tobte weiter, er wolle den Kerl nie wieder im Stern sehen. Der ehemalige Redakteur Günter Dahl erinnerte sich: »Oft auf seine Fehlentscheidung angesprochen, gab er stets zur Antwort: ›Das habe ich nie gesagt!‹ Und natürlich hat er ihn später zum Stern zurückgeholt.« [65] Am 12. Juli 1953 wurde »Auf den Hund
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