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Long Reach

Long Reach

Titel: Long Reach
Autoren: Peter Cocks
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Vater meiner Mutter. Er ist tot.«
    »Dann vergisst du ihn auch im Außendienst nicht«, sagte Baylis scharf. »Oder?«
    »Warum? Wo soll ich denn hin?«, bohrte ich nach.
    »Wir möchten, dass du dich mit einem Mädchen anfreundest«, sagte Napier. Er lächelte. »Sollte nicht allzu schwer sein, oder? Sie heißt Sophie Kelly.«
    Ich war erleichtert, dass sie mich nicht in eine Terroristenhochburg schickten wie meinen Bruder.
    »Und wo finde ich diese Sophie Kelly?«, erkundigte ich mich.
    Napier schob mir ein Foto über den Tisch. Es war das Bild eines sehr hübschen blonden Mädchens. Ich konnte nicht anders, als mitzulächeln.
    »Das ist eine nette, leichte Sache für dich, Eddie«, sagte Napier und verwendete zum ersten Mal meinen neuen Namen. »Wir möchten, dass du wieder zur Schule gehst.«

Fünf
    In dieser Welt ging es rasch zur Sache.
    Sobald ich zugestimmt und an der angekreuzten Stelle unterschrieben hatte, schüttelte Sandy Napier mir die Hand und schon steckte ich drinnen.
    Bis zum Hals.
    Aber mal ehrlich, was blieb mir anderes übrig? Mich zu weigern und den Rest meines Lebens herumzukrebsen, mich ständig zu fragen, ob ich nicht etwas Sinnvolles hätte tun können, und zu schämen, dass ich das Andenken meines Bruders mit Füßen trat? Auch keine echte Alternative.
    Als wir auf den Trafalgar Square ins helle Tageslicht hinaustraten, schien mir London wie ausgewechselt. Alles sah hyperrealistisch aus, jedes einzelne Detail im Rampenlicht der Sonne. Mir kam es so vor, als würden mich alle beobachten: Leute in den Bussen, Männer mit Hüten, Straßenkehrer. Überall sah ich verräterische Hinweise. Ich streckte meine Hand aus. Sie zitterte, als ob meine Nerven ein Stück stärker gespannt wären. Ich spürte Tonys festen Griff um meine Schulter.
    »Seltsames Gefühl, oder?«
    Ich nickte.
    »Das ist ein großer Schritt«, sagte er. »Ich erinnere mich noch genau, wie es war. Der Verfolgungswahn. Du gewöhnst dich dran, aber glaub mir, an sich ist er nützlich. Hält dich wachsam. Du traust keinem und hältst an jeder Straßenecke die Augen offen. Und in neun von zehn Fällen zahlt sich das Misstrauen aus. So läuft das Spiel.«
    Tony winkte ein schwarzes Taxi heran, das reifenquietschend neben uns zum Stehen kam. Ich stieg ein, während Tony dem Fahrer meine Adresse gab und sich neben mich setzte. Wir holperten die Mall entlang, vorbei an New Scotland Yard und all den Ministeriumsgebäuden. Das Taxi bog links ab, über die Westminster Bridge, und als ich auf Big Ben und das ganze Parlament blickte, fühlte ich mich plötzlich wie ein Teil davon. Ich hatte Angst und ich war stolz. Nie zuvor hatte ich mich wie ein Teil von irgendwas gefühlt.
    Meine Augen schossen hin und her, als wir die Themse überquerten. Ich beäugte jeden Wagen, der uns überholte, und prägte mir das Kennzeichen eines Motorradkuriers ein, der plötzlich neben uns fuhr.
    »Mensch, bist du nervös«, grinste Tony. »Hol mal tief Luft und lass locker.«
    »Wird das wirklich besser, Tony?«, fragte ich und versuchte, es mir auf der Taxirückbank bequem zu machen. »Mir ist ein bisschen schlecht.«
    Hinter uns schlug Big Ben zwei Uhr und mir wurde bewusst, wie viel an diesem Tag schon passiert war.
    »Wird es«, versicherte mir Tony. »Das versprech ich dir. Das geht dir in Fleisch und Blut über, wie ein Teil von dir.«
    Wie zur Antwort fing mein Magen an zu gurgeln. Waren wohl die Nerven.
    »Du bist sicher am Verhungern«, sagte Tony. »Los, gehen wir Mittagessen.«
    Er ließ den Taxifahrer bei einem Drive-in auf der Old Kent Road anhalten. Ein Hamburger Royal TS, große Pommes und ein halber Liter Cola. Das Essen schien meinen Magen zu beruhigen und der Zuckerschock von der Cola half auch. Bald schaufelten wir uns heimwärts durch die dunklen, von totem Laub übersäten Kleinstraßen von Südlondon und ich fühlte mich sicherer. Vor Mums Haus blieben wir stehen.
    Wieder zu Hause.
    Mum machte uns eine Tasse Tee und dann redete Tony in der Küche mit ihr. Sie sprachen leise, aber hin und wieder hörte ich, wie Mum die Stimme zum Protest erhob und wie Tony sie wieder beruhigte. Ich pflanzte mich im Wohnzimmer vor den Fernseher und schaute eine Wiederholung von
Friends.
Die vertrauten, attraktiven Gesichter, die Farben und das Studiogelächter gaben mir ein Gefühl der Sicherheit. Welche Steine man den Charakteren auch in den Weg legte, am Ende der Folge waren ihre Probleme stets gelöst. Was immer der Autor sich für sie
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