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London

London

Titel: London
Autoren: Edward Rutherfurd
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bestochen, hieß es. Die Soldaten waren zwar ärgerlich, aber noch immer guten Mutes. »Eine Niederlage heißt gar nichts. Wartet ab, bis die Römer unsere Rache zu spüren bekommen!« Doch als Segovax es wagte, einen der Männer auf den Streitwagen zu fragen, wie er denn die Römer einschätzte, antwortete dieser freimütig: »Sie sind sehr diszipliniert. Sie sind schrecklich!«
    Im Süden war die Verteidigung aufgegeben worden. Der Fluß war das nächste Hindernis. »Der Kampf wird genau hier stattfinden«, erklärte der Vater Segovax bei einem kurzen Besuch im Weiler. »Hier wird Cäsar aufgehalten werden.« Am nächsten Tag wurde den Frauen befohlen: »Macht euch bereit zum Aufbruch! Ihr werdet morgen wegziehen.«
    Am nächsten Morgen sah Segovax seinem Vater zu, als dieser sein Schwert anlegte. Es war eine typische keltische Waffe mit einer langen, breiten Eisenklinge und einer Rille in der Mitte. Das Heft war eine einfache Griffstange, der Knauf war in der Form eines Männerkopfes geschnitzt, der den Feind wütend anstarrte.
    Der Junge war seltsam bewegt. Wie müde sein Vater wirkte nach der anstrengenden Arbeit der letzten Tage! Seine warmen, freundlichen Augen blickten matt. Und doch war er tapfer, so verletzlich er auch aussah. Er schien fast gierig auf den Kampf zu sein. Sein ganzer Körper und sein Gesicht strahlten eine entschlossene Männlichkeit aus, die seine körperliche Schwäche überlagerte. Als er seinen Schild von der Wand nahm und noch zwei Wurfspeere hervorholte, fand Segovax, daß sich sein Vater in einen edlen Krieger verwandelt hatte, und dies erfüllte den Jungen mit Stolz.
    Nachdem er seine Vorkehrungen getroffen hatte, nahm der Fischer seinen Sohn zur Seite. »Wenn mir etwas passiert, Segovax«, sagte er ernst, »dann wirst du das Oberhaupt der Familie. Du mußt dich um deine Mutter und deine Geschwister kümmern, ist das klar?« Dann rief er Branwen zu sich, umarmte und küßte sie.
    Am Rand der Landzunge standen die Dorfbewohner. Vier große Einbäume sollten die Frauen und Kinder des Weilers wegbringen. Auf zwei Flößen wurden Lebensmittel und Habseligkeiten verstaut. Die Männer des Weilers warteten auf die letzten Befehle des dunkelbärtigen Kommandanten. Seine harten, gewitzten Augen schweiften in die Runde, bis sie auf Cartimandua fielen, die mit ihren drei Kindern im Boot stand. Er nickte kaum erkennbar. Dann blickte er auf die Männer und wählte rasch drei aus. »Ihr werdet als Bewacher mit den Frauen gehen. Ihr trefft euch, fünf Tagesreisen entfernt von hier, flußaufwärts mit den Frauen und Kindern der anderen Weiler. Dort ist eine Festung, dort wird man euch die nächsten Befehle erteilen.« Dann blickte er auf den Fischer. »Du gehst ebenfalls mit ihnen, und zwar als Anführer. Stelle in der Nacht immer einen Wachposten auf!«
    Cartimandua spürte, wie eine Welle der Erleichterung sie durchströmte. Sie wollte sich gerade hinsetzen, da bemerkte sie, daß ihr Mann dem Befehl des Kommandanten nicht folgte.
    »Ich kann nicht mitkommen«, sagte er.
    Was sagte er da? Wie konnte er sich dem Kommandanten widersetzen?
    »Das ist ein Befehl!« sagte der Edelmann scharf.
    »Aber ich habe einen Eid abgelegt, vor Cassivelaunus persönlich. Ich habe geschworen, mit ihm in Londinos zu kämpfen. Er hat mir eine Brosche gegeben und mir befohlen, sie als Erkennungsmerkmal in der Schlacht zu tragen.« Er zog die Brosche aus seiner Gürteltasche hervor.
    Der Kommandant starrte auf die Brosche. Der Bursche mochte zwar nur ein einfacher Dorfbewohner sein, doch ein Eid war etwas Heiliges. Die Brosche stammte von Cassivelaunus, das sah er. Er warf einen Blick auf Cartimandua. Sämtliche Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Er sah auf das Mädchen. Ein hübsches kleines Ding, aber nun war nichts mehr daran zu ändern – der Handel galt nicht mehr. Er deutete auf einen anderen Mann. »Du da, du übernimmst das Kommando. Setzt euch in Bewegung!« Damit wandte er sich ab.
    Als der Fischer dem Boot mit seiner Frau und den Kindern nachblickte, überkam ihn eine gewisse Wehmut, doch auch Zufriedenheit. Er wußte, daß sein Sohn sah, daß er nicht so stark war wie die anderen Männer, und nun war er froh, daß Segovax vor allen anderen von seinem Eid, den er dem großen britischen Häuptling geleistet hatte, erfahren hatte.
    Als sie die Biegung entlangfuhren, starrte Segovax auf die Truppen, die sich dort versammelten. Viele Reihen von Streitwagen waren bereits aufgestellt. »Wenn Cassivelaunus
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