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Lola Bensky

Lola Bensky

Titel: Lola Bensky
Autoren: Lily Brett
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hochgerollt waren, und eine graue Baumwollhose.
    »Es ist merkwürdig«, sagte Mick Jagger. »Man spürt eine gewaltige Energie, die vom Publikum ausgeht. Man hat das Gefühl, als wollten die Leute einem etwas sagen. Als bräuchten sie etwas, wüssten aber nicht genau, was.«
    Lola kannte dieses Gefühl, etwas zu brauchen. Und nicht zu wissen, was. Sie war oft ängstlich, wenn sie dieses Gefühl hatte. Oder einsam.
    »Hast du manchmal Angst auf der Bühne oder fühlst dich einsam?«, fragte sie Mick Jagger.
    »Nein«, sagte er und wirkte verblüfft. »Ich bin auf der Bühne nicht allein. Ich bin ein Fünftel der Rolling Stones. Wir haben immer Spaß auf der Bühne, immer etwas zu lachen.« Er hielt inne. »Neulich hatte ich ein bisschen Angst«, sagte er. »Wir spielten in einem riesigen Stadion in Zürich, auf einer Plattform neun oder zehn Meter über dem Publikum. Als wir auf die Bühne gingen, sprang mir jemand in den Rücken. Da waren zehn Typen, die schubsten und zerrten und mich fast über den Rand gedrängt hätten. Ich habe hinuntergeschaut und hatte Angst.«
    »Zehn Typen?«, fragte Lola.
    »Ja«, sagte Mick Jagger. »Es war beängstigend.«
    »Ich dachte, dein Publikum bestünde hauptsächlich aus Mädchen«, sagte Lola.
    »Nein«, sagte er. »In Großbritannien vielleicht, aber nicht in anderen Ländern. In Frankreich sind es vor allem Jungs, die zu den Konzerten kommen. In Berlin hatten wir gerade ein Konzert mit zwanzigtausend Leuten. Soweit wir sehen konnten, alles Jungs. Nirgends ein Mädchen in Sicht. Vielleicht ist das ein Überbleibsel aus dem 19. Jahrhundert, verstehst du, als eine junge Dame nur in angemessener Begleitung ins Theater durfte. Vielleicht liegt es auch einfach nur daran, dass die Mädchen nicht das Geld haben, das die Jungs verdienen. Sie verdienen einfach nicht so viel. Es sollte nicht so sein, ist es aber.«
    Lola fand das interessant. Wenige Menschen, insbesondere nicht Männer, dachten über die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen nach. »Findest du, Männer und Frauen sollten für gleiche Arbeit gleich bezahlt werden?«, fragte Lola.
    »Natürlich sollten sie das«, sagte er. »Sonst erreichen sie nie etwas. Die Sache ist, Männer bringen es zu etwas, die meisten Frauen nicht. Falls sich das wie ein anti-feministisches Statement anhört, tut es mir leid, aber ich spreche einfach aus Erfahrung.«
    Mick Jagger hatte recht, dachte Lola. Die Welt war nicht für Frauen geschaffen. Es war eine Männerwelt. Lola war eine der wenigen Frauen, die im Rockjournalismus arbeiteten. Sie war eine der wenigen Frauen, die in der Welt der Rockmusik arbeiteten. Die meisten Musiker waren Männer, die Journalisten waren Männer, die Manager waren Männer, die Bühnenarbeiter waren Männer, die Roadies waren Männer. Wo waren die Frauen? Ein paar von ihnen waren Go-Go-Girls, lebendes Dekor in den Nachtclubs oder im Fernsehen. Und die anderen kreischten im Publikum oder lagen sich in den Haaren, um mit einem der Rockstars oder jemandem aus seiner Entourage ins Bett zu gehen.
    Linda Eastman, die talentierte Fotografin, die später Mrs. Paul McCartney werden würde, war eine der wenigen Frauen, die in der Rockmusikwelt arbeiteten. Lola war Linda ein paarmal begegnet. Sie hatten eine gemeinsame Freundin, die in New York lebende australische Journalistin Lillian Roxon. Linda war Amerikanerin und sehr selbstbewusst. Sie hatte eine blonde Mähne und einen ausgreifenden Gang. Sie trug ziemlich kurze Röcke. Wenn sie sich nach hinten beugte, um ein Gruppenfoto zu machen, war ihre knappe Unterwäsche oft vollständig zu sehen. Lola dachte, dass Linda einen fabelhaften Gleichgewichtssinn haben musste, um sich derart zurückzulehnen.
    Eines Tages wartete Lola darauf, Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich zu interviewen. Die Band hatte mehrere Hits gelandet, darunter »Save Me« und »Touch Me, Touch Me«.
Lola gefielen die Songtitel besser als die Songs selbst. Sie saß im Managementbüro der Band im Wartezimmer, als die Tür zu einem der Zimmer aufflog. Linda Eastman kam heraus. Im Hintergrund konnte Lola Dave Dee, Beaky, Mick und Tich sehen. »Ach, du bist es«, sagte Linda. »Sie sagten, draußen wartet eine dicke australische Journalistin, und ich dachte, es wäre Lillian.«
    Die Tür zu dem Zimmer, aus dem Linda gekommen war, stand immer noch offen. Lola wusste, dass jeder dort drin mitgehört hatte. »Falsche dicke australische Journalistin«, hatte Lola in einem Ton zu Linda gesagt, von dem
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