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Lola Bensky

Lola Bensky

Titel: Lola Bensky
Autoren: Lily Brett
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hochrutschte und die Knie freigab. Und Lola musste ihre Knie bedeckt halten. Es waren ziemlich dicke Knie. Lola war sich sicher, dass sie mehr Raum einnahmen als Twiggys Hüften. Lolas Knie wirkten zwangsernährt. Als hätte jemand sie gestopft. Mick Jaggers Sofa, das aussah, als gehörte es auf das Cover einer Schöner-Wohnen-Zeitschrift, war die Art von Möbelstück, auf die sie sich ungern setzte. Die Stühle um den Refektoriumstisch sahen viel bequemer aus.
    »Klar«, sagte Lola.
    Sie setzte sich und zupfte am Saum ihres Kleides, das bereits bis zu den Knien hochgerutscht war, und begann, ihre Ausrüstung auszubreiten. Sie stellte das Aufnahmegerät vor sich auf den Couchtisch mit der goldenen Platte und legte Stift und Notizbuch auf ihren Schoß. Sie wünschte sich, sie hätte ein größeres Notizbuch mitgebracht. Das hätte vielleicht ihre Knie bedeckt.
    Mick Jagger saß ihr am Couchtisch gegenüber in einem schwarzen Ledersessel. Er lümmelte dort in einer seltsam passiven Haltung. Es sah sehr bequem aus. Er wirkte nicht wie der nonkonformistische Zerstörer gesellschaftlicher Werte, als den man ihn und die anderen Rolling Stones abstempelte.
    Lola wusste, dass Mick Jaggers Vater und auch sein Großvater Lehrer waren. Seine Mutter war Friseuse und darüber hinaus in der Konservativen Partei aktiv. Von seinen längeren Haaren einmal abgesehen, wirkte Mick Jagger in diesem Augenblick viel eher wie das Produkt von Schullehrern und
Mitgliedern der Konservativen Partei und nicht wie der renitente Unruhestifter, für den man ihn hielt.
    »Ich hoffe, du fragst mich nicht nach der Farbe meiner Socken«, sagte Mick Jagger zu Lola.
    »Nein«, sagte Lola, »ich interessiere mich nicht für die Farbe deiner Socken. Ich werde dich auch nicht fragen, ob du Paul McCartney kennst.«
    »Natürlich kenne ich ihn«, sagte Mick Jagger. »Er war gestern kurz im Studio und kommt später noch vorbei.« Lola war sich nicht sicher, was sie mit dieser Information anfangen sollte. Sie machte sich eine Notiz für den Fall, dass ihr Aufnahmegerät die ersten zwei Minuten ihres Gesprächs nicht aufgezeichnet hatte.
    »Was ist deiner Meinung nach die Ursache für die Verehrung und die Hysterie unter euren Fans?«, fragte sie Mick Jagger. »Ist es Liebe?«
    Lola war sich nicht sicher, ob sie über Verehrung oder Liebe besonders viel wusste. Mick Jagger wirkte perplex. Er strich sich die Haare aus dem Gesicht, stützte den Fuß auf den Couchtisch und dachte über die Frage nach. Lola merkte, dass Mick Jagger nicht einfach aufs Geratewohl irgendeine Antwort geben würde. Er wirkte, als sei es ihm wichtig, mit welchen Aussagen er zitiert wurde, als nehme er Interviews genauso ernst wie seine Auftritte. Sogar Interviews mit einem australischen Rockmagazin.
    »Ich bin mir sicher, dass es viel mit Sex zu tun hat, mit Sex und Gewalt«, sagte er. »Ob es Liebe ist? Ich glaube nicht. Zuneigung, das schon. Das Publikum hat Eintrittskarten gekauft, weil es uns sehen will, wir sind da, weil wir gerne Konzerte geben, wir mögen das Publikum. Es gibt da eine Verbundenheit, eine gewaltige, elementare Zuneigung.«
    Lola sah ihn an. Er stellte eine Verbindung her zwischen
elementarer Zuneigung, Gewalt und Hysterie. In Lolas Augen war das ein sehr sonderbarer Zusammenhang. »Aber zu dieser Zuneigung kommt noch Gewalt«, sagte Mick Jagger. »Und zur Gewalt Sex. Es ist eine seltsame Eskalation von Gefühlen.«
    Lola beschloss, nicht mit ihm darüber zu diskutieren. Sie hatte das Gefühl, dass er sehr viel mehr über Sex und Gewalt wusste als sie. Mick Jagger sah sie aufmerksam an. Als wäre er sich nicht ganz sicher, ob sie verstand, was er meinte.
    Er war auf eigenwillige Weise attraktiv, dachte Lola. Er hatte nicht die regelmäßigen, symmetrischen Züge, die gewöhnlich mit gutem Aussehen assoziiert wurden. Aber er hatte schöne Augen. Sie waren von einem klaren Braun, einer Farbe, die leicht ihre Schattierung wechselte. Und er hatte diese reizvollen Polster unter den Augen, wie Kissen. Seine vollen Lippen waren klar gezeichnet. Er hatte einen natürlichen Schmollmund, selbst wenn er etwas Ernstes sagte.
    Er kleidete sich nicht mit der Extravaganz mancher Rockstars. Er trug keine gestreiften Satinhosen und schrägen Hüte wie Brian Jones. Tatsächlich war er eher wie der Betriebswirtschaftsstudent der London School of Economics gekleidet, der er früher einmal gewesen war. Er trug einen dünnen marineblauen Wollpullover, dessen Ärmel bis zu den Ellbogen
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