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Locke greift an

Locke greift an

Titel: Locke greift an
Autoren: Ulli Potofski
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Schubert versuchte, seinen Sohn zu ermuntern. »Poldi taucht schon wieder auf. Irgendwo muss er ja stecken«, sagte er. »Vielleicht hat er sich ja wirklich verliebt, wie deine Mutter vermutet. Das soll schließlich vorkommen und dann verlieren die Kerle einfach die Übersicht.« Er klopfte Locke auf die Schulter. »Fahr du jetzt mal zum Training nach Schalke, das wird dich auf andere Gedanken bringen.«

    Mit den anderen Gedanken war es heute nicht so leicht. Trainer Thölle merkte Locke die Unkonzentriertheit schnell an und kritisierte ihn ungewohnt hart.
    »Patrick, wenn du keine Lust hast, muss ich dich nach Hause schicken«, rief er über den Platz. »Von einem Spieler, der in der Nationalelf spielt, erwarte ich was anderes! Nämlich hundert Prozent Einsatz. Aber was ich hier sehe, sind höchstens vierzig Prozent von dem Locke, den ich kenne.«

    Locke antwortete nicht. Er zog den Kopf ein und machte verbissen weiter.
    Unbemerkt von ihm schlich Matz sich zum Trainer. »Herr Thölle«, sagte er leise, »der Junge hat einen harten Schicksalsschlag erleiden müssen, Poldi ist weg.«
    Völlig verständnislos schaute Olaf Thölle den Jungen an. »Was hat denn ein Mann von Bayern München mit dem Gemütszustand einer meiner Spieler zu tun?«
    Matz erklärte nun genauer: »Es geht um seinen Hund, der heißt Poldi und ist seit gestern verschwunden«.
    Thölle erwies sich als Tierfreund. »Oh, das ist wirklich schlimm«, meinte er, »wir haben auch einen Hund daheim, und wenn der verschwinden würde, dann hätte die ganze Familie ein Problem. Danke für die Information, Matz.«
    Der Trainer überlegte einen Augenblick, dann nahm er seine Trillerpfeife, pfiff kräftig über den Platz und rief: »Alle Mann an die Pendel! Heute machen wir Kopfballtraining.«
    Die »Pendel« waren Bälle an langen Leinen. Diese konnten in unterschiedliche Höhen gezogen werden. Man lernte daran das exakte Abspringen vor einem Kopfball oder das richtige Treffen mit der Stirn. Alle Spieler machten sich in Richtung dieser Trainingspendel auf. Thölle setzte aber nochmals mit seiner tiefen Stimme nach. »Locke, komm doch mal kurz zu mir.«
    Patrick trabte zu seinem Trainer. »Ja, Herr Thölle?«
    »Pass auf, Patrick«, sprach der Coach ruhig auf seinen Stürmer ein, »wie du weißt, war ich lange als Spieler in der Bundesliga, und deshalb weiß ich besonders, dass dies Kopfballtraining eine der wichtigsten Grundlagen ist, um gute Leistungen bringen zu können.« Er sah Patrick an. »Ich habe die Geschichte vom Verschwinden deines Hundes gehört und kann gut verstehen, dass dir alle möglichen Gedanken
durch den Kopf gehen. Aber trotzdem, versuche jetzt mal, dich auf die Übung heute zu konzentrieren. Ich weiß, es ist schwer, aber indem du nicht bei der Sache bist, holst du den Hund auch nicht zurück. Poldi wird schon wieder auftauchen.«
    Thölle klopfte Patrick auf die Schulter. Der nickte tapfer und schlich zu seinen Mannschaftskollegen, um die Arbeit am Pendel aufzunehmen. Locke bemühte sich, aber es blieb eine schlechte Trainingseinheit für ihn …

    Samstag. Schulfrei. Normalerweise ein Festtag für Locke. Meist ging er morgens mit Poldi spazieren oder er machte mit dem Hund einen kleinen Dauerlauf. Aber Poldi war noch immer nicht aufgetaucht und es gab auch keinen einzigen Anruf nach der Plakataktion. Traurig saß Familie Schubert um den Frühstückstisch, als es schellte. Die Briefträgerin stand vor der Wohnungstür. Ungewöhnlich, denn normalerweise wurden die ankommenden Briefe einfach in den Postkasten geworfen, unten im Hausflur.
    »Ein Einschreiben für Patrick Schubert«, flötete die Dame in der nicht ganz so schicken Postuniform. Sie hielt einen großen Umschlag in der Hand.
    »Für mich?«, fragte Locke verwundert.
    »Ja, für dich. Du musst den Empfang quittieren. Hier auf dem Zettel.«
    So ein Schreiben hatte Locke noch nie bekommen. »Für wen muss ich denn unterschreiben?«
    Die Dame schaute auf den Zettel. »Komisch. Da steht nur ein großes X und Hauptpostlager Bochum. Merkwürdig, dadurch kann man den Absender nicht benennen, er bleibt anonym. Aber das geht mich nichts an. Bitte, du musst hier unterschreiben.«
    Jetzt kritzelte Patrick seinen Namen auf den hingehaltenen
Zettel und nahm den Umschlag entgegen. Eilig machte die Dame von der Post kehrt und verschwand im Treppenhaus.
    Locke stand mit dem Umschlag im Wohnzimmer und starrte darauf. Dieser Brief sah ganz merkwürdig aus. Aus einzelnen Buchstaben
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