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Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Little Miss Undercover - Ein Familienroman

Titel: Little Miss Undercover - Ein Familienroman
Autoren: Lisa Lutz
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Franklin. Ich heiße Sarah Baker und rufe Sie im Auftrag der Firma ACS an. Wir machen Personen ausfindig, die offenbar einige ihrer Vermögenswerte aus den Augen verloren haben. Jetzt haben wir mehr als tausend Anteile an einem erstrangigen Unternehmen entdeckt, die einem gewissen Gary Franklin gehören. Und ich soll überprüfen, ob Sie dieser Gary Franklin sind. Wenn Sie mir Ihr Geburtsdatum und Ihre Sozialversicherungsnummer nennen, könnte ich Ihnen gegebenenfalls die Aktienzertifikate wieder zukommen lassen ...«
    Auch wenn es mir auf diesem Gebiet bestimmt nicht an Talent fehlt, ist und bleibt meine Mutter die ungekrönte Königin dieser Telefontaktik.
    Mit siebzehn führte ich meine erste Observation am Steuer eines Autos aus. Als ich meinen Führerschein hatte, übte mein Vater ein Jahr lang mit mir auf der Straße. Das Konzept ist denkbar einfach – eine aggressive, aber sichere Fahrweise. Vonder Zielperson sollten einen höchstens zwei Autos trennen (wenn man allein arbeitet), und man sollte mit ihren Gewohnheiten so vertraut sein, dass man stets vorausahnt, was sie/er als Nächstes vorhat, und sich nicht allein auf das Augenscheinliche verlassen muss. In dieser Disziplin glänzte mein Vater. Nach so vielen Jahren bei der Sitte hatte er ein Gespür für die Straße entwickelt sowie eine geradezu übersinnliche Fähigkeit, die Absichten einer beliebigen Zielperson im Voraus zu erraten.
    Während mein Vater mir fast alle Tricks beibrachte, die man on the road braucht, zeigte mir Onkel Ray, was off the road alles möglich war. Bei Nachtfahrten ist es beispielsweise leichter, ein Auto im Auge zu behalten, bei dem nur ein Rücklicht funktioniert. Ich werde den Tag nie vergessen, als Onkel Ray mir einen Hammer reichte und mich anwies, das Rücklicht von Dr. Liebermans Mercedes einzuschlagen. Ein herrlicher Tag.
    Mit meinem achtzehnten Geburtstag begann endlich die magische Zeit meiner Arbeit für Spellman Investigations . Da wir vor allem gerichtsverwertbares Beweismaterial sichern müssen, sollte man für die Ermittlungen besser volljährig sein. Ab achtzehn durfte ich offiziell Klageschriften einreichen, Befragungen durchführen und mit den sechstausend Stunden Feldarbeit beginnen, die für eine Lizenz vorausgesetzt werden. Mein Vater wies darauf hin, dass mir die Lizenz nur in einem Fall versagt bleiben könnte: wenn ich vorbestraft wäre. Jeder Anwärter auf eine Detektivlizenz wird auf Herz und Nieren geprüft. Auch wenn die Verfehlungen, die ich vor meinem achtzehnten Geburtstag begangen hatte, alle in meiner Jugendakte versiegelt bleiben würden, durfte ich mir jetzt nichts Ernsthaftes mehr zuschulden kommen lassen.
    Noch an meinem einundzwanzigsten Geburtstag legte ich endlich die zweistündige Multiple-Choice-Prüfung ab und erhielt drei Monate später die Lizenz.
    David hingegen beendete mit sechzehn seine Karriere bei Spellman Investigations mit der Begründung, sie schade seinenschulischen Leistungen. Danach sollte er nie wieder für die Familie arbeiten, trotzdem wurden wir mehr als einmal von ihm beauftragt. In Wahrheit aber interessierte sich David nicht die Bohne für Detektivarbeit. Seiner Meinung nach haben die Leute ein Recht auf Privatsphäre. Wir anderen waren da völlig gegensätzlicher Meinung.
B ITTE NICHT STÖREN
    Das gehört zum Job dazu: die Schnüffelei mit legalen und manchmal auch nicht ganz so legalen Mitteln. Damit muss man sich abfinden, so wie ein Henker sich mit der Härte seines Berufes abfindet.
    Wenn du weißt, wozu du selbst und auch deine Eltern imstande sind, um vertrauliche Details aus dem Leben einer Zielperson ans Licht zu zerren, wird dir der Schutz der eigenen Privatsphäre schnell zur ersten Pflicht. Ich hatte mich schon daran gewöhnt, dass Mom sich bei meinem Bruder erkundigte, ob ich zurzeit einen Freund hatte, und mich im Fall des Falls dann beschattete, um diesen Freund zu Gesicht zu bekommen. Und so dachte ich mir nicht viel dabei, wenn ich mit sechzehn drei Mal von einem Bus in den nächsten, der in die entgegengesetzte Richtung fuhr, umstieg und anderthalb Stunden damit verplemperte, meine Mutter abzuschütteln. Selbstverständlich montierte ich einbruchsichere Schlösser an meine Schlafzimmertür und wies David an, das Gleiche zu tun. Die Schlösser tausche ich seither zweimal jährlich aus. Ich befragte Fremde und spionierte meinen Freunden hinterher. Irgendwann hat man zu viele Lügen gehört, um nicht sogar die nackte Wahrheit in Zweifel zu ziehen. Und
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