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Lisbeth 02 - Ein Mädchen von 17 Jahren

Lisbeth 02 - Ein Mädchen von 17 Jahren

Titel: Lisbeth 02 - Ein Mädchen von 17 Jahren
Autoren: Berte Bratt
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einfach gewesen. Manchmal sprach ich mit Heming darüber. „Entweder sind wir die reinen Mustereltern“, so stellten wir jedesmal fest, „oder Lisbeth ist eine Mustertochter. Wir haben ja noch nie ernstliche Schwierigkeiten mit ihr gehabt!“
    „Ihr seid jung genug, um Lisbeth verstehen zu können“, sagte Anne-Grete. „Deshalb ist das Verhältnis zwischen euch und ihr so kameradschaftlich.“
    Die Tatsache, daß wir noch so jung sind, hat natürlich im Laufe der Jahre allerlei Mißverständnisse zur Folge gehabt. Aber Lisbeth ist nicht auf den Mund gefallen. Sie bleibt in solchen Fällen niemals die Antwort schuldig.
    „Ich bin eine Adoptivtochter“, sagte sie laut und völlig unbekümmert.
    „Wieso hast du so junge Eltern?“ forderte eine Klassenkameradin sie einmal heraus. „Das ist doch merkwürdig, wenigstens finde ich das.“
    „Was ist daran merkwürdig?“ erwiderte Lisbeth. „Mein Vater ist sechsunddreißig und meine Mutter vierunddreißig Jahre alt. Sie heirateten, als ich sieben Jahre alt war, und da hatten sie mich schon eine Weile gehabt.“
    „Merkwürdig!“ sagte das vorwitzige Mädchen noch einmal. Ganz offensichtlich brannte es schon darauf, die sensationelle Neuigkeit weiterzutragen.
    „Wenn du noch mehr wissen willst, dann kann ich dir erzählen, daß meine richtige Mutter bei meiner Geburt starb, mein Vater folgte ihr, als ich sieben Jahre alt war. So kam ich zu meiner jetzigen Mutter, und die heiratete dann später meinen jetzigen Vater. Dämmert es dir jetzt, warum ich so junge Eltern habe?“
    Lisbeths Klassenkameradin machte ein sehr enttäuschtes Gesicht.
    Heming und ich brachten es nie fertig, uns unserer Tochter gegenüber aufs hohe Roß zu setzen. Wir haben mit ihr erörtert, was uns wichtig schien. Aber wir haben ihr nie etwas verboten. Wir haben uns ihre gesunde und aufrichtige Kritik gefallen lassen und ihr ebenso aufrichtig unsere Meinung gesagt. Wir waren für sie da, wenn sie uns etwas anzuvertrauen wünschte, und haben ihr immer unser volles Vertrauen geschenkt.
    In unserem Heim gab es kein Verschweigen, und zu kleinen Lügen brauchte niemand seine Zuflucht zu nehmen. Alles war ganz einfach und unproblematisch – bis zum diesjährigen Frühling.
    Wir haben den 27. April immer festlich begangen. Die Bewirtung unserer Gäste war zwar nicht immer die gleiche. Eines aber durfte auf der Geburtstagstafel niemals fehlen: Ananastorte.
    Während des Krieges war es mehr als schwierig, Ananastorte zu beschaffen. Ich ließ mir vom Lande Sahne schicken, stellte aus Kürbis Ananasersatz her und zerbrach mir den Kopf über die Zutaten. Ananastorte war das erste, worüber Lisbeth und ich uns zusammen gefreut hatten, als wir uns vor zehn Jahren kennenlernten, und wir sind beide in diesem Punkt etwas sentimental.
    Die Tradition mußte aufrechterhalten werden, und sie wurde aufrechterhalten.
    Auch in diesem Jahr war mal wieder der wichtigste Programmpunkt des Abends gerettet.
    Eine ganze Anzahl von Ananasbüchsen standen für die Torte bereit.
    Lisbeth ist zu unserer Freude in mancher Hinsicht noch immer ein richtiges Kind. Das zeigt sich unter anderem auch darin, daß sie an ihrem Geburtstag immer sehr früh aufwacht, zu Heming und mir ins Zimmer huscht, in mein Bett kriecht und nach den Geschenken fragt. Und Erna, die liebe, unersetzbare Erna, die noch immer bei uns ist und mit uns alle unsere Sorgen und Freuden teilt, erscheint dann mit dem Kaffeebrett, auf dem sich Geschenke, Kuchen und farbige Lichter befinden. Lisbeth möchte ihren Kaffee nämlich gerne im Bett genießen. Und das erlauben wir ihr natürlich an diesem Tag.
    „Du, Vati“, sagte Lisbeth, als die Geschenke ausgepackt und mit Jubel begrüßt waren, „ich habe gestern vergessen, etwas zu sagen. Ich kam nicht dazu, alle Rechenaufgaben zu lösen. Glaubst du, ich könnte ein Entschuldigungsschreiben mitbekommen?“ Ihre Stimme klang unsicher.
    „So, so… Du hast deine Schularbeiten nicht gemacht. Und weshalb kamst du nicht dazu?“
    „Ich – ich hatte doch so viel zu tun, weißt du…. ich mußte die Festtafel decken und ausschmücken… und ich mußte mein Kleid verlängern… und dann mußte ich Peik zu Bett bringen…“
    „Und dann hast du dich bei dem Gedanken beruhigt, daß dein Vater es heute, an deinem Geburtstag, nicht übers Herz bringen wird, mit dir zu schelten, nicht wahr?“
    „Ja, Vati. Denn du kannst mir doch unmöglich meinen Geburtstag verderben? Und wenn ich kein Schreiben von dir mitbekomme,
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