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Lilith Parker

Lilith Parker

Titel: Lilith Parker
Autoren: Janine Wilk
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als Antwort einfach genickt und sie glücklich angegrinst. Die Gedanken an die möglichen Folgen seiner Entscheidung hatte er einfach beiseitegeschoben …
    Die Schritte kamen immer näher!
    Rafael durfte sich gar nicht ausmalen, was geschehen würde, wenn ihn die Wachen aufgriffen. Selbst wenn sie noch einmal Milde walten lassen würden und ihn nicht ins Gefängnis steckten, so würde er spätestens von seinem Vater den Ärger seines Lebens bekommen.
    Automatisch schob er seine Hand vor den gelben Kreis auf seiner Jacke, der ihn als Juden kennzeichnete. Er würde jedem, dem Rafael begegnete, verraten, dass er gerade die Ausgangssperre missachtete. Am Abend zuvor hatte er die Jacke einfach ausgezogen und unter seinem Arm versteckt, aber dafür blieb nun keine Zeit mehr.
    Rafael zwang sich zur Ruhe und atmete tief durch. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass es sich nicht um die schweren,selbstbewussten Schritte handelte, die den Mitgliedern der Wache zu eigen waren. Auch fehlte das Scheppern der Rüstungen und mittlerweile war sich Rafael sicher, dass es nur ein einzelner Mensch sein konnte. Die Wachen waren jedoch immer zu zweit unterwegs, wenn sie nachts durch die Stadt patrouillierten. Die Person, die auf sie zukam, hatte einen schwerfälligen Gang, als ob ihr das Gehen Mühe bereitete. Mit jedem Schritt stieß sie ein seltsames Röcheln aus, das ihm einen Schauer über den Rücken jagte.
    Das unvermittelte Aufkreischen einer Katze ließ die beiden Kinder zusammenfahren. Wie von Sinnen sauste ein kleiner schwarzer Schatten an ihnen vorbei. Fast hatte Rafael das Gefühl, die Katze würde um ihr Leben rennen. Er schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. Das war doch absurd!
    Das Röcheln war nun unmittelbar vor ihm. Rafael presste sich an die Mauer, in der Hoffnung, mit ihr zu verschmelzen. Automatisch hielt er die Luft an.
    Aus der Dunkelheit der Gasse löste sich ein hochgewachsener Schatten – und blieb seitlich vor dem Durchgang stehen. Rafael hätte nur die Hand ausstrecken müssen, um ihn berühren zu können.
    Er spürte, wie Sofias zittrige Finger nach seinem Arm griffen. Langsam wandte sich die Gestalt zu ihnen um und Rafael schnappte entsetzt nach Luft. Diese Augen … Es waren nicht die Augen eines Menschen!
    Sie strahlten weiß und grell aus dem Gesicht des Schattenmannes heraus – wie zwei Spiegel, die das Licht reflektierten.
    Er kann uns nicht sehen!, versuchte Rafael sich einzureden. Sofia und er waren in ihrem Versteck so gut wie unsichtbar. Trotzdem wurde er das Gefühl nicht los, dass diese unheimlichen Augen wie zwei Messer durch die Finsternis schnitten und auf ihn, Rafael, gerichtet waren.
    Der Schattenmann machte einen schwerfälligen Schritt auf ihn zu, stieß ein weiteres Röcheln aus. Konnte er ihn etwa doch sehen? Rafaels Herz klopfte so schnell, dass er das Gefühl hatte, seine Brust würde zerspringen. Sofias Finger krallten sich ängstlich in seinen Arm.
    Â»Dandolo«, flüsterte sie mit erstickter Stimme. »Der Geist des blinden Dogen!«
    Meine Güte, sie hat recht, schoss es Rafael panisch durch den Kopf. Jeder in Venedig kannte die Legende vom Geist des blinden Dogen. Seine Seele konnte keinen Frieden finden, weil das Blut Unschuldiger an seinen Händen klebte. Der Doge Enrico Dandolo hatte vor über vierhundert Jahren eine Galeerenflotte zu einem Kreuzzug ins Heilige Land angeführt. Tausende venezianischer Kämpfer waren auf einer göttlichen Mission, die Vergebung für all ihre Sünden versprach. Dandolo konnte jedoch seine Männer dazu überreden, die christliche Stadt Zara zu überfallen, um Venedigs Macht auszubauen. So plünderten, brandschatzten und töteten sie unter dem Zeichen des Kreuzes. Für diese frevelhafte Tat wurden sie von Papst Innozenz III. exkommuniziert – anstatt Vergebung erwartete Dandolo und seine Männer nun immerwährende Verdammnis. Seither wurde Dandolos ruheloser Geist angeblich immer wieder in Venedig gesehen – und zwar immer dann, wenn La Serenissima,die Durchlauchte, wie Venedig auch genannt wurde, in Gefahr war.
    Â»Lassen Sie … lassen Sie uns in Frieden«, stammelte Rafael. Er hatte das Gefühl, keine Sekunde länger in diese kalten Sternenaugen blicken zu können, ohne den Verstand zu verlieren. »Gehen Sie weg!«
    Der Schattenmann ignorierte seine Bitte. Er beugte
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