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Lieblingsmomente: Roman

Lieblingsmomente: Roman

Titel: Lieblingsmomente: Roman
Autoren: Adriana Popescu
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wieder fast auf die Zehenspitzen stellen, um an sein Auge zu kommen. Er ist wirklich groß. Während ich tupfe, betrachte ich ihn etwas genauer. Die dunkelbraunen Haare trägt er kurz, aber nicht zu kurz. Einige schweißverklebte Strähnen reichen bis in die Stirn, wo sie ein lustiges Muster formen. Er hat kräftige Schultern, und den Rest kann ich unter dem T-Shirt nur erahnen. Plötzlich gesellen sich zu den flirrenden Käfern im Kopf flatternde Schmetterlinge in der Magengegend, und schnell versuche ich, mich wieder auf das Tupfen zu konzentrieren.
    »So, fertig!«
    Ich betrachte mein Werk und bin damit zufrieden. Er nickt, und ich sehe, wie angespannt er ist. Die Kieferknochen treten gefährlich hervor. Sambuca auf offener Platzwunde ist bestimmt nicht die beste Idee, die ich in meinem Leben hatte, aber für den Moment das Beste, was mir eingefallen ist. Er kneift das linke Auge fest zusammen und sieht mich aus dem rechten an. Unsere Gesichter sind keine zwanzig Zentimeter voneinander entfernt.
    »Ich weiß nicht, ob ich mich bedanken oder dich verfluchen soll.«
    Sein Atem riecht wegen dem Sambuca leicht nach Anis.
    »Gern geschehen, aber das solltest du wirklich nähen lassen.«
    Es klingt sehr fachmännisch, wenn man bedenkt, dass ich meine Anleitung aus einer Fernsehserie habe. Ich stelle Glas und Tuch auf die Theke neben uns.
    »Bist du Krankenschwester?«
    »So was in der Art.«
    Bin ich nicht. Ist glatt gelogen. Ich bin vom ärztlichen Fachbereich so weit entfernt wie London von Tokio, aber wenn ich das jetzt zugebe, dann sieht es wie die billige Anmache einer verrückten Sadistin aus. Das will ich wirklich verhindern.
    »Ich weiß gar nicht, wie das passieren konnte.«
    Er kneift noch immer das linke Auge zusammen, was ihm einen spitzbübischen Ausdruck verleiht.
    »Zwei Jungs neben dir meinten, sie müssten Pogo zu Techno tanzen. Der Ellenbogen des Größeren hat dich mit voller Wucht erwischt.«
    »Aha.«
    Er lehnt sich ein wenig zurück und sieht mich überrascht an. Woher ich das weiß? Oh. Ich tippe auf die Kamera.
    »Ich arbeite hier, mache Fotos für den Veranstalter und … habe es zufällig gesehen.«
    Er nickt nur. Das ist ja auch Unfug. Ich habe es gesehen, weil ich meine Blicke nicht von ihm nehmen konnte und es zufällig genau zu dem Zeitpunkt passiert ist, als ich ausgiebig sein Gesicht studiert habe. Aber das kann ich ihm ja schlecht sagen.
    »Kommt wohl vor.«
    Er zuckt mit den Schultern, als würde es ihm nichts ausmachen. Was mich überrascht. Ich würde versuchen, diese Typen zu finden, und sie dann zur Rede stellen. Sie sind sicherlich auf einem der Fotos, die ich von ihm geschossen habe. Zumindest das Taxi ins Krankenhaus sollten sie zahlen.
    »Layla! Da bist du ja!«
    Meine beste Freundin Beccie hat manchmal ein unfassbar schlechtes Timing, und diese Erfahrung mache ich immer und immer wieder. Heute ist keine Ausnahme, und so setze ich ein möglichst freundliches Lächeln auf, als die blonde Schönheit mit den erschlagenden weiblichen Argumenten neben mir auftaucht.
    »Beccie. Hi!«
    »Ich habe dich in der Menge verloren. Wir sollten weiter!«
    Sie sieht zu meinem Patienten, und ihre Augen weiten sich kurz.
    »Du blutest.«
    Sie berührt mit ihrer Hand ganz beiläufig seinen Arm, und in mir flackert plötzlich etwas auf. Wut? Ich will nicht, dass sie ihn anfasst.
    »Habe ich schon gemerkt.«
    »Das sieht übel aus.«
    Er nickt und wirft mir einen kurzen Blick zu.
    »Halb so wild.«
    »Ich bin übrigens Beccie.«
    Ganz ungeniert lässt sie seinen Arm los und schiebt ihre Hand in seine. Ich würde sie gerne erwürgen. So ist das schon seit der Schulzeit. Immer wenn Beccie auftaucht, habe ich mich für das männliche Geschöpf neben mir auf magische Weise in Luft aufgelöst. Wieso? Das ist schnell erklärt: Ich bin klein, habe durchschnittlich braune Haare, durchschnittlich braune Augen und eine durchschnittlich gute Figur, also keine Modelmaße oder blondes wallendes Haar zu strahlenden blauen Augen. Wie Beccie. Ich bin einfach eher durchschnittlich, und wenn sie neben mir steht, werde ich zu einer Art Hilfssheriff, der auf dem Esel neben dem strahlenden Helden der Geschichte als klassischer Side-Kick mitreiten darf.
    »Hallo, Beccie.«
    Dann sieht er plötzlich wieder zu mir, streckt mir seine Hand entgegen, und sofort ist da wieder dieses Schlagen der Flügelchen in meinem Kopf. Nur lauter als zuvor.
    »Und du bist Layla? Wie in dem Clapton-Song?«
    Ich nicke und bin überrascht.
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