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Lieblingsmomente: Roman

Lieblingsmomente: Roman

Titel: Lieblingsmomente: Roman
Autoren: Adriana Popescu
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großen Rucksack und meiner Kamera am Flughafen. Ich stehe einfach da und bestaune das Kunstwerk vor mir: die berühmte Baumstreben-Konstruktion, deren stählerne Deckenstützen tatsächlich wie Bäume aussehen, deren Kronen das Dach der Halle des Terminal 1 tragen.
    Gleich werde ich Stuttgart verlassen und die Welt entdecken. Das Flugticket in meiner Hand fühlt sich unendlich schwer an, und ich hoffe, dass es leichter werden wird, sobald ich erst mal im Flieger sitze. Ich lasse viel zurück, aber nur so kann ich mir sicher sein, auch wirklich wiederzukommen.
    Mein iPod spielt die Songs in wahlloser Reihenfolge ab, und so überrascht mich auf einmal ein wunderschönes Lied von Thomas. Er hat es damals auf seinem Konzert in Bregenz gespielt, und jetzt ist es ein wunderschöner Abschiedsgruß, perfekt für mich.
    Flughafenszene ganz ohne Tränen,
    kein Grund zum Weinen, denn du bist nicht hier.
    Meine sentimentale Gefühlslage,
    doch kein Grund zum Weinen, denn du bist nicht hier.
    Ja, Tristan ist nicht hier. Er hat seine Abschiedsworte auf einen Zettel geschrieben, und diesen Zettel halte ich jetzt fest an mich gedrückt, aus Angst, seine Zeilen zu verlieren. Eigentlich könnte ich wütend sein, weil er sich einfach so aus dem Staub gemacht hat, aber ich bin es nicht. Ich wusste es, und ich kann es ihm nicht einmal verübeln. Trotzdem fühle ich mich so, als würde ein Stück von mir hierbleiben, bei ihm.
    Ich trage keinen Groll in mir.
    Ich hab dich schon längst freigesprochen.
    Danke für all die schönen Tage.
    Danke für deine kostbare Zeit.
    Schnell nehme ich die Kopfhörer von meinen Ohren, noch ein Wort, und ich fange an zu heulen. Alleine und in aller Öffentlichkeit.
    »Layla!«
    Ich zucke fast zusammen, als ich die schrille Stimme in der Flughafenhalle höre. Überrascht drehe ich mich um und erkenne Beccie, wie sie Menschen in der besten Manier eines Quarterbacks beim American Football aus dem Weg schubst und dann vor mir zum Stehen kommt.
    »Bist du eigentlich total bescheuert? Abhauen, ohne dich zu verabschieden, ist so was von scheiße!«
    Dann zieht sie mich in eine feste und ehrliche Umarmung, und ich will am liebsten weinen, meine Pläne in den Wind schießen und mit ihr zum Frühstück in unser Lieblingscafé gehen.
    »Nicht weinen, Layla! Alles in Ordnung.«
    Sie kennt mich zu gut, und plötzlich kommen mir meine Träume gar nicht mehr so reizvoll vor. Vielleicht übertreibe ich ja. Vielleicht sollte ich wirklich bleiben. Vielleicht ist alles endlich in Ordnung, und ich ruiniere es, weil ich mir einbilde, mir auf dieser Weltreise selbst etwas beweisen zu müssen. Vielleicht war die spontane Idee gestern Nacht einfach nur dämlich. Da fällt mir ein …
    »Woher weißt du eigentlich, dass ich hier bin?«
    »Tristan hat mir einen Tipp gegeben. Aber jetzt hör mal: Du rufst an, sobald du gelandet bist, verstanden? Und dann will ich alles hören. Alles!«
    »Mach ich.«
    »Und du musst mir versprechen, auf dich aufzupassen.«
    Damit ich nicht sofort anfange zu weinen, nicke ich nur, denn meine Kehle schnürt sich verdächtig zusammen. Ich kenne Beccie schon so lange, und wie es sich anfühlen wird, ein halbes Jahr von ihr getrennt zu sein, will ich mir plötzlich gar nicht mehr vorstellen.
    »Und wenn du wieder da bist, dann lassen wir es richtig krachen und schauen uns deine ganzen schönen Fotos an.«
    Das war zu viel. Wir wollen nicht weinen, aber wir tun es trotzdem, und zwar wie die Schlosshunde, aber wir lachen auch dabei, weil es irgendwie so albern ist. Ich bin ihr unendlich dankbar, dass sie jetzt hier ist. Abschied tut manchmal doch gut. Und so sehe ich an ihr vorbei und hoffe, vielleicht doch noch ein anderes vertrautes Gesicht zu sehen. Sie drückt meine Hand.
    »Er wird nicht kommen. Er hat gesagt, er kann das nicht.«
    Ich weiß, und ich weiß auch, dass ich, wenn er jetzt hier wäre, nicht in dieses Flugzeug steigen würde. Aber obwohl ich wirklich Angst habe, weiß ich auch, es muss sein. Jetzt und nicht irgendwann, wenn ich alt und grau bin. Ich will meine Träume in Erfüllung gehen sehen. Und wenn ich richtig viel Glück habe, dann werde ich auch Tristan in knapp sechs Monaten wiedersehen. Und wenn ich noch viel, viel mehr Glück habe, dann ist es dann auch genau zur richtigen Zeit.
    Ich drücke Beccie noch einmal fest an mich.
    »Pass auf dich auf.«
    »Du auf dich auch.«
    Sie nickt und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. Dabei zieht sie dicke schwarze Streifen über ihre
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