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Liebling der Götter

Liebling der Götter

Titel: Liebling der Götter
Autoren: Tom Holt
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erstes gingen sämtliche Lichter aus. Als die Notstromversorgung einsetzte, fanden Neptun und Mars ihre Blicke auf etwas ziemlich Unerwartetes gerichtet.
    »Sach mal, wasch tun die bloß in diese Dinger rein?« verlangte Neptun nörgelnd zu wissen.
    Ein goldener Lichtstrahl hatte die Wolke wie ein Fleischspieß durchbohrt. Außerdem waren da viele … also, es ist äußerst unangenehm, das zu erwähnen, aber es ließ sich nicht bestreiten, daß es sich um Engel handelte, die obendrein Flammenschwerter in den Händen hielten.
    »Wie machen die das?« fragte Mars.
    »Keine Ahnung«, antwortete Neptun. »Vielleischt mit Topfhandschuhen.«
    Als wären Sonnenstrahl und Engel noch nicht schlimm genug, gab es weitere Anzeichen für reichlich ungewöhnliche Vorgänge. So waren zum Beispiel viele ziemlich unerbetene Blumen zu sehen, und der betäubende Duft eines starken, süßlichen und entsprechend billigen Parfüms lag in der Luft. Sowohl Mars als auch Neptun verspürten plötzlich den überwältigenden Drang, allen möglichen Bitten stattzugeben.
    »Isch weisch nischt, wie’s dir geht«, lallte Neptun, »aber isch fühl misch im Moment ’n bischen komisch. Isch glaub, ich verschwind jetzt und hau misch ’ne Minute hin.«
    Mars nickte vorsichtig. »Gute Idee«, entgegnete er. »Wo geht’s zur Tür?«
    Draußen blieben die beiden noch einmal stehen und rissen die Augen auf. So seltsam die vorherigen Erscheinungen auch gewesen waren, das hier war etwas anderes.
    Es war Jupiter. Mitten auf dem Exerzierplatz der Wolke stand er. Und lächelte.
    Auf den ersten Blick sah man, daß er mit jeder Faser seines höchsten Wesens dagegen ankämpfte. Und je mehr er sich anstrengte, desto schwieriger wurde es anscheinend zu widerstehen. Der Sonnenstrahl hatte ihn direkt am Nabel gepackt.
    »Findest du, wir sollten ihm …« Mars’ Stimme war nicht mehr zu hören.
    »Helfen, meinschte?«
    »Also … ja.«
    Neptun schüttelte den Kopf. »Nö, würde isch nischt machen«, sagte er.
    »Würdest du nicht?«
    »Beschtimmt nischt«, bekräftigte er. Auf seinem Gesicht blühten zwanzigtausend Jahre geschwisterlicher Rivalität zu einem Lächeln vom Umfang Kaliforniens auf. »Das wär Gotteschläschterung.«
    »Gotteslästerung?«
    »Klaro«, bekräftigte Neptun. »Wenn isch dem alten Sack helfe, würd isch doch seine Allmacht leugnen. Nee, lasch den Alten dasch mal selbst in Ordnung bringen. Isch geh wieder anne Theke.«
    »Aber …«
    »Diesmal geb isch einen aus.«
    Mars warf noch einmal einen kurzen Blick auf den Vater der Götter und Menschen und kehrte dann zum Zelt zurück, in dem die Offiziersmesse untergebracht war.
    »Was geht hier vor, Nepi?« fragte er.
    »Dasch’n Gebet«, erklärte Neptun, während er sein Hinterteil auf einen Barhocker schob und sich Oliven in den Mund steckte. »Sogar ’n ganz gewaltigesch. Genaugenommen isses das gewaltigschte Gebet, dem isch in meinem ganzen Leben begegnet bin. Und Jupp isses direkt auf ’n Magen geschlagen. Schampanjer!« rief er dem Barmann zu.
     
    Apollo und Mary kamen rechtzeitig im Kaukasus an, um verfolgen zu können, wie die Wolke schwerfällig zum Stehen kam, bebte und sich langsam zur Sonne zurückzog. Der goldene Strahl wurde allmählich schwächer, bis nichts mehr übrig war außer einem kleinen Gesprengsel silberner Partikel, den Überresten einiger unpassender Gebete, die Mitglieder der Börse in Tokio beigesteuert hatten.
    »Danke fürs Mitnehmen«, sagte Mary. »Also, was ist? Willst du jetzt hier nur rumhängen und Däumchen drehen?«
    »Habe ich denn eine Wahl?«
    »Natürlich hast du eine Wahl«, antwortete Mary und verstärkte ganz behutsam den Druck des kleinen Messers. »Hast du mir nicht zugehört, als ich sagte, daß Götter einen freien Willen haben?«
    »Ich meine nicht die Wahl zwischen hierbleiben und erstochen werden«, entgegnete Apollo. »So was würde ich wohl kaum eine Wahl nennen, oder?«
    »Das ist genau das, womit sich die Sterblichen deiner Meinung nach fast die ganze Zeit über abfinden sollen«, begann Mary; doch dann fiel ihr wieder ein, wie sehr ihre Mutter ihr eingeschärft hatte, beim ersten Rendezvous bloß nicht über Politik zu reden. Allerdings hatte sie nichts davon erwähnt, daß es irgendwelche negativen Auswirkungen hätte, wenn man dem jungen Mann ein kleines Messer in den Rücken drückte, also ging das vermutlich in Ordnung.
    »Na gut«, sagte Apollo, »was passiert hier eigentlich?«
    »So, wie ich das sehe, haben die Götter gerade
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