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LIEBES LEBEN

LIEBES LEBEN

Titel: LIEBES LEBEN
Autoren: Kristin Billerbeck
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vierunddreißig - obwohl ihn die Glatze älter wirken lässt –, und er ist immer da, wenn jemand Hilfe braucht. Einschließlich ich. Im Moment hat er seinen Freund, einen arbeitslosen Vertreter, bei sich aufgenommen. Der Typ hat zwei Katzen mitgebracht. Seth ist wahrscheinlich noch Single, weil er Angst vor einer Bindung hat, wie alle Single-Männer. Aber ich habe so ein Gefühl, dass das nicht ewig so bleiben wird. Ich vermute mal, dass er doch zu den Singles auf Zeit gehört. Wir werden sehen.
    Seth stellt sich mitten auf die Bühne, hinter den klapprigen Notenständer. »Am Mittwochabend nach der Bibelstunde wollen wir gemeinsam den Hitchcock-Film ›Berüchtigt‹ sehen, mit Cary Grant« - ein Uuuuh von den Frauen - »und Ingrid Bergman« - vereinzeltes Kichern bei den Männern. »Wer hat Lust?« Seth schaut zu Kay hinüber, die mit ihrer Liste bestens durchorganisiert ist, und zuckt unmerklich zusammen. »Na ja, wer Lust hat, kommt einfach am Mittwochabend. Wir wissen dann schon, warum ihr kommt. Bringt was zu Knabbern mit, sonst müsst ihr euch auf meine Vorräte verlassen.« Seth setzt sich wieder hin, und ich spüre ein Lächeln auf meinem Gesicht. Seth hat einen verborgenen Charme, so wie Fred Astaire. Er ist nicht äußerlich attraktiv wie Hugh Jackman, aber er hat etwas, das einen im positiven Sinn umhaut.
    Der Leiter der Single-Gruppe steht auf. »Wenn das so weit alle Ankündigungen waren, dann habe ich auch noch eine.« Pastor Max Romanski sieht traumhaft aus, so eine Art Mischung aus dem Quarterback der Highschool-Footballmannschaft und dem Schülersprecher, nur erwachsen. Er ist nicht der coole Typ, dessen Blütezeit nach der Schule vorbei ist, sondern eher jemand, dessen Begabung bis ins Erwachsenenalter erhalten bleibt.
    Max ist groß und strahlt eine brennende Liebe für Jesus aus. Schon allein wegen der Art, wie er seine Frau ansieht - mit ganz großen Augen, wie ein verliebter Teenager –, kann man ihn schätzen. Und vielleicht auch ein kleines bisschen begehren.
    Max’ Frau, Kelly, ist eine blonde Schönheit mit großen Bambi-Augen. Sie ist süßer als Zuckerwatte, und es ist offensichtlich, warum sie geheiratet hat. In der Highschool wünschten wir uns alle, so zu sein wie sie, mit ihren schicken Klamotten und der gestylten Frisur. Ich kann mich nicht erinnern, dass Kelly je einmal nicht gut aussah.
    Max grinst wie frisch aus der Zahnweiß-Werbung. »Kelly und ich wollten euch mitteilen, dass wir ein Baby erwarten. Es soll im Juli kommen.«
    Alle klatschen. Es ist ein höflicher Applaus, bei dem Freude über das Geschenk neuen Lebens anklingt, aber auch eine gereizte Eifersucht, die zwar keiner will, aber wer kann sich schon dagegen wehren. Jedes Mal, wenn wieder jemand schwanger wird, erinnert es mich daran: Das wird mir in absehbarer Zeit ganz bestimmt nicht passieren. Es sei denn, Gott plant noch eine weitere Jungfrauengeburt. Aber ich glaube, mit dieser Art von Wundern ist es vorbei.
    Also klatsche ich ein bisschen lauter als die anderen und lächle. Es ist ein aufgesetztes, künstliches Lächeln, aber zu mehr bin ich nicht in der Lage. Ich freue mich für sie, wirklich, und ich weiß, dass Neid Sünde ist, also verdränge ich diese Art von Gefühlen. Aber wenn ich mal wieder helfe, eine Party vorzubereiten, weil ein Kind gekommen ist, und das süße Kleine dann im Arm halte, schmerzt es - und ich hasse es, wenn ich mich so fühle.
    Ich merke, dass ich besser reagiere als Kay Harding. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was das für sie bedeutet, wo sie doch ihr ganzes Leben so perfekt organisiert hat. Man könnte fast meinen, sie könnte ein Kind bekommen, indem sie es in ihren PDA einträgt. Aber es ist noch nicht geschehen, und sie ist schon über vierzig - ein Alter, das uns alle in Panik versetzt.
    Jetzt kommt das Gebet. Immer das Gleiche. Noch seichter können unsere Gebete kaum werden, bevor sie ganz verdunsten. Es geht immer nur um die Arbeit, einen Stellenwechsel und vielleicht einen Umzug. Aber wer von uns würde es schon wagen, sein Innerstes zu zeigen? Es ist, als würde unsere Einsamkeit erst dadurch real, dass wir sie laut aussprechen. Wir würden doch um Himmels willen nicht über ein Thema sprechen, das uns wirklich am Herzen liegt! Wie zum Beispiel, »Ich habe mich seit einem halben Jahr nicht mehr mit einem Mann verabredet«, oder dass die Talentshowin der Cafébar, so armselig sie auch ist, tatsächlich der Höhepunkt unserer Woche ist. Aber so etwas sagen wir nicht
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