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LIEBES LEBEN

LIEBES LEBEN

Titel: LIEBES LEBEN
Autoren: Kristin Billerbeck
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ich leben muss.
    Meine Mutter erklärte mir, dass kein Mann eine Rechtsanwältin heiraten wolle. »Du bist zu gebildet«, sagte sie. Als bräuchte ich für die richtige Partie noch ein Intelligenz-Downgrade. Ich musste lachen bei diesem Gedanken. Schließlich hatte ich während meiner Collegezeit mehrere Freunde gehabt, wollte aber auf die wahre Liebe warten. Ich wusste, dass irgendwo da draußen der Mann war, der mich kribbelig und schwindelig machen würde. Aber mittlerweile würde ich mich sogar schon mit einem Anruf begnügen. Die Intelligenz-Theorie meiner Mutter verfestigt sich in meinen Gedanken immer mehr, wie Sülze, die fest wird. Aber ich lebe doch im Silicon Valley, und Intelligenz ist hier nicht gerade verpönt - wo bleibt also mein Ritter in seiner glänzenden Silikon-Rüstung?
    Meine Familie unterstützt mich an diesem Punkt in jeder Hinsicht. Nicht nur meine Mutter, sondern auch mein Bruder, der mich »Bus-Braut« nennt, was so viel bedeutet wie, meine Chancen, von einem Bus überfahren zu werden, sind größer, als mit über dreißig noch einen Mann zu finden. Es ist erwiesen, dass diese Statistik vollkommen aus der Luft gegriffen ist, aber das interessiert meinen Bruder nicht. Absolut nicht. Mir tut nur die Ärmste leid, die ihn einmal am Bein haben wird. Er ist übrigens Busfahrer. Und wahrscheinlich auch derjenige, der mich eines Tages überfahren wird, nur um zu beweisen, dass er recht hatte.
    Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich lebe ein erfülltes Leben als christlicher Single und warte nicht darauf, dass das Leben erst anfängt, wenn ich heirate. Ich frage mich nur ständig, weshalb ich noch Single bin. Habe ich irgendeinen auffälligen Mangel, den nur ich nicht erkenne? Das macht mich wahnsinnig, genauso wie Männer in meinem Alter, die diese zwölfjährigen Küken direkt vom College weg heiraten. Na schön, sie sind nicht zwölf, sondern Anfang zwanzig. Aber ich erinnere mich noch, wie ich dem Typ bei der Flirt-Show»The Bachelor« zugejubelt habe, als er sich für die siebenundzwanzigjährige Frau entschied. Endlich ein Mann, für den Alter wie lang gereifter Wein war und nicht wie Essig.
    Und doch sitze ich hier mit den gleichen Singles, mit denen ich schon seit Jahren hier sitze. Hin und wieder kommt so ein süßes junges Ding Anfang zwanzig zu uns, und schwuppdiwupp taucht aus dem Nichts ein Mann auf und schnappt sie sich. Dann fragen wir Ewigkeitssingles uns wieder einmal, ob wir irgendeinen seltsamen Geruch verbreiten - vielleicht den Geruch der Verzweiflung?
    Ich fühle mich nicht verzweifelt. Ich singe in der Band in unserer Gemeinde, arbeite im Obdachlosenheim mit und habe fast jeden Abend irgendetwas vor. Zugegeben, was ich abends mache, hängt davon ab, welche Reality-Show gerade im Fernsehen läuft, aber immerhin habe ich einen vollen Terminkalender.
    Kay Harding ist nach vorn gegangen, und ihre vertraute Stimme bricht in meine Gedanken. »Am Samstagabend wollen wir im Starbucks-Café eine Talentshowveranstalten. Wenn ihr euch anmelden wollt, kommt bitte nach der Sonntagsschule zu mir.« Kay holt einen Stift hinter ihrem Ohr vor und steckt ihn an das Schreibbrett mit der Liste. »Ich lasse die Anmeldeliste rumgehen, aber kommt bitte zu mir, wenn ihr einen Beitrag habt.«
    Bei dem Gedanken daran, die Cafébar im Ort zu überfallen und mich zu blamieren, dreht sich mir der Magen um. Gleichzeitig wird mir klar, dass ich auch kommen werde. Was soll ich denn sonst machen? Es ist immer das Gleiche. Genau wie wenn ein Ingenieur versucht, mir eine neue Technologie zu erklären. Ich weiß, dass ich es letztlich kapieren werde, aber zunächst bin ich gefrustet und frage mich, warum ich diesen Job überhaupt mache.
    Jim Henderson klatscht. Ich nenne Jim den Herzens-Lebemann, weil er bei jeder Gelegenheit aus John Eldredges Buch »Lebe, was dein Herz dir sagt« zitiert. Leider hat er die Aussage des Buches wohl nicht richtig verstanden, denn er ist dadurch nicht männlicher, sondern nur nerviger geworden. Natürlich habe ich kein Recht, ihn zu verurteilen, denn ich sitze genau wie er da und warte darauf, dass irgendjemand meine Weiblichkeit bemerkt.
    Seth Greenwood steht auf. Seth ist die einzige Ausnahme in unserer Gruppe. Er sieht gut aus, auch wenn er schon eine Glatze hat, aber das stört mich nicht. Er hat strahlend blaue Augen und ein Herz so weit wie die Bucht von San Francisco. Er ist Programmierer - im Klartext: Außenseiter. Aber wer ist das nicht im Silicon Valley? Er ist
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