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Liebe und andere Schmerzen

Liebe und andere Schmerzen

Titel: Liebe und andere Schmerzen
Autoren: Hrg. Jannis Plastargias
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hier stehen, mit deiner Scheiß-Laune! Wenn du’s dir anders überlegt hast und mir sagen willst, welche Laus dir über die Leber gelaufen ist, kannst du gerne kommen!«
    Mit diesen Worten stampft Hannah davon. Olga starrt stumpf vor sich hin, sie fühlt sich leer und müde und am Ende.

    Auf dem Heimweg nachmittags trifft sie David, der auf dem Sandsteinmäuerchen in der Goethestraße sitzt, und betont lässig mit den Beinen baumelt. Als Olga ihn sieht, ist es zu spät auszuweichen, er hat sie längst entdeckt, scheint auf sie zu warten. Ein ungutes Gefühl beschleicht Olga – seit dem Kuss, der mittlerweile immerhin schon über zehn Tage zurückliegt, hat sie ihn größtenteils gemieden, obwohl es offensichtlich ist, dass David sie unbedingt wieder treffen möchte, dass er sie vermisst.
    »Hey, Olga, wie geht’s?«, fragt David mit hölzerner Stimme, die längst nicht so lässig klingt, wie er es gerne hätte. Seine Unsicherheit und offenkundige Verliebtheit berühren Olga unangenehm.
    »Ja, geht so, viel zu tun grad in der Schule«, antwortet sie, bemüht, nicht allzu distanziert und abweisend zu klingen.
    »Kann ich ein Stück mit dir zusammen gehen?«
    Olga nickt, und David hüpft von seiner Mauer und trottet, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, neben ihr her. Er redet nicht lange um den heißen Brei herum:
    »Hab dich schon ’ne Weile nicht mehr gesehen. Ist alles in Ordnung? Habe ich was falsch gemacht, als wir am Fluss gesessen haben?« Er sieht Olga nicht an, sondern fixiert die Straße vor sich.
    »Nein, überhaupt nicht. Ich hab einfach wirklich viel zu tun, das liegt nicht an dir ...«, erwidert Olga, doch nur mit halber Überzeugung. Die ständigen Nachfragen zu der Sache mit David, das dauernde Sich-Rechtfertigen laugt sie aus, macht sie müde und gereizt. Ein Schweigen breitet sich zwischen den beiden aus.
    »Bist du sicher, dass ich nichts falsch gemacht habe? Bist du sicher, dass du nicht vielleicht doch irgendein Problem mit mir hast?«
    Schweigen.
    »Nein ... wirklich, es ist nur viel los grad, und ich denke ich bin überfordert, oder so ...«, stammelt Olga und fühlt sich in die Enge getrieben.
    David dreht den Kopf, blickt ihr ins Gesicht: »Überfordert? Wovon genau? Es ist doch überhaupt nichts passiert! Und das bisschen war dir ja auch schon zu viel! War’s denn so widerlich, mich zu küssen, dass du danach gleich den Kontakt abbrechen musstest?«
    Er ist laut geworden, hat sich in Rage geredet, mit rotem Gesicht und zitternden Händen steht er vor ihr, mitten auf der Straße, und wartet auf ihre Antwort.
    »Nein! Nein!«, ruft Olga verzweifelt, doch David glaubt ihr nicht.
    »Was ist eigentlich los mit dir? Zuerst tust du so, als würdest du mich mögen und dann so was? Wovor hast du Angst, Olga? Was ist dein verdammtes Problem?« Wütend starrt er sie an.
    Olga hält dem Blick nicht stand, starrt auf den Boden.
    »Nichts«, flüstert sie, »ich hab kein Problem ...«
    »Wohl hast du eins, erzähl mir keinen Mist! Du hast dich geekelt, als ich dich geküsst habe, das war so was von offensichtlich, Olga! Bist du frigide oder so? Bist du ’ne Lesbe?«, schleudert er ihr voller Abscheu und Wut entgegen. Sie starrt ihn einen Moment lang entgeistert, entsetzt an.
    »Nein!«, schreit sie ihn dann an, und rennt los.
    Der verdutzte David bleibt alleine zurück, während Olga wie von Sinnen durch die Straßen jagt.
    Von weitem sieht der Wald, der sich auf den Hängen rund um Waldstein erhebt, schwarz und bedrohlich aus. Doch Olga fürchtet ihn nicht. Er hat ihr nie ein Leid angetan und für die Ängste ihrer Mutter, ihr könne in der Dunkelheit der mächtigen Tannen und Fichten etwas zustoßen, hat sie nur ein mildes Lächeln übrig. Von klein auf hat sie den Wald geliebt, hat sich eigene, geheime Pfade durch das Dickicht gesucht, Höhlen aus gefundenem Reisig gebaut, die riesigen, dreißig Meter hohen Bäume bewundert, ebenso wie die schillernd roten Fliegenpilze. Nein, sie fürchtet sie nicht, die Dunkelheit und Stille, die unter den schwarzen Baumkronen herrschen, die sie wie ein Mantel umschlingen und tiefer ins Innere des Waldes locken. Hier, in dieser Abgeschiedenheit und Einsamkeit, fühlt sich Olga geborgen und beschützt, hierher flüchtet sie sich vor David, vor ihren Eltern, vor allen Vorwürfen und Nachfragen. Der Wald bleibt stumm, lässt sie ihn Ruhe, akzeptiert sie.
    Das leise Knacken herumliegender kleiner Äste unter ihren Füßen, das Hämmern eines Spechtes
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