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Liebe macht blind - manche bleiben es

Liebe macht blind - manche bleiben es

Titel: Liebe macht blind - manche bleiben es
Autoren: Christine Nöstlinger
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ihre Kinder diese angenehmen Eigenschaften vom Babyalter an besäßen. Glückliche Eltern!
    Meine Kinder gaben, wenn ich mit ihnen auf Urlaub fuhr, schon bei Purkersdorf-Gablitz die ersten Unmutsäußerungen von sich, fragten ab Autobahnkilometer 100 alle zehn Minuten: „Sind wir endlich da?“, gerieten ab Salzburg in Streit und ließen am Brenner den Streit in lebensbedrohliche Tätlichkeiten ausarten.
    Meine Kinder hatten nach einer Stunde Wandern Blasen an den Fersen und waren am hurtigen Voranschreiten überhaupt nicht interessiert. Dauernd wollten sie Blümlein pflücken und Käferlein anschauen. Und dass nicht alle 200 Schritte lang eine Flasche Cola ausgegeben wurde, vergrämte sie schwer.
    Meine Kinder streikten vor Kirchentoren und Museumstüren, die Akropolis bezeichneten sie als „alten Steinhaufen“, vor Botticellis „Frühling“ stritten sie um ein Micky-Maus-Heft, und am Prado interessierte sie bloß der Eisverkäufer neben dem Eingang.
    Meiner Kinder Augen weiteten sich vor Entsetzen, wenn der Ober die Paella auftrug. Hartnäckig forderten sie an den diversen Urlaubsstränden dieser Welt Frankfurter und Wiener Schnitzel und rächten sich für den Entzug dieser Speisen mit urlaubsfüllendem Bauchweh.
    Meine Kinder waren bloß über eine Strecke von 500 km transportfähig; und dies auch nur mit drei „Pipi-Pausen“ und einer Jausenpause. Sie wollten im Urlaub stets dort sein, wo sie schon voriges Jahr gewesen waren. Dort, wo sie jeden Stein und jeden Baum kannten und mit einheimischen Menschen und Tieren Freundschaft geschlossen hatten.
    Was habe ich bloß für sonderbare Kinder gehabt!
    Oder war bloß ich so sonderbar, dass ich meine eigenen Urlaubsbedürfnisse nach Ferne und Unbekanntem gegen meine Kinder nie so richtig durchsetzen konnte?

Lächerlich ernst
    Die heutige Kindergeneration – das hat eine groß angelegte Umfrage ergeben – könne weit mehr „Werbeslogans“ als Kinderreime auswendig hersagen. Das ist erstens kein Wunder, weil ihnen ja weit öfter die diversen „Werbeblocks“ etwas „vorsagen“ als Mamas, Papas, Omas und Opas. Und zweitens haben wir als Kinder ja auch alle Werbesprüche auswendig gewusst, nur hat es halt nicht so viele gegeben. Aber wir sind seinerzeit mit Werbesprüchen ziemlich anders umgegangen, als das Kinder heute tun. Bei uns waren vor allem Parodien auf Werbung aller Art gefragt.
    Damals erfreuten sich Kindergemüter an einem hübschen Reimlein wie:
    Wenn nicht Butter,
    na, dann Rama!
    Wenn nicht Rama,
    na, dann Butter,
    die Natur ist unsre Mutter!
    Oder:
    Siehst du die Kreuze dort im Tal?
    Das sind die Raucher von Reval.
    Siehst du die Kreuze dort am Meeresstrand?
    Das sind die Raucher von Peter Stuyvesant.
    Und weil uns diese „Zigarettenwerbung“ doch ein wenig zu „deutsch“ war, so dichteten wir so holprig wie hurtig:
    Warum gibt’s so viele Begräbnisse im Mai?
    Das sind alles die Raucher von Austria drei.
    Und jedes Kind – abgesehen von den ganz wohlerzogenen – liebte das artige Sprüchlein vom Harry Piel; auch wenn dieser damals gar nimmer im Kino zu sehen und absolut kein Idol war:
    Harry Piel sitzt am Nil,
    wäscht die Füße mit Persil.
    (Was Mia May, die „dabei“ saß, mit ihm tat, war so fürchterlich jugendverboten, dass ich es auch hier nicht niederzuschreiben wage.)
    Jedenfalls nahmen wir die Werbung nur als Vorlage für Jux und Spaß und machten uns über sie gern lustig.
    Doch die Kinder von heute finden nichts Lächerliches oder Komisches an der Werbung. Sie nehmen sie bitterernst. Für sie sind das alles schöne Geschichterln und Gedichterln, voll der guten Verheißung eines Konsum-Paradieses. Und über das Paradies darf man sich nicht lustig machen, wenn man rein will, um aller Genüsse, die dort warten, teilhaftig zu werden!
    Wir – seinerzeit – haben es da leichter gehabt. Die Werbung hat eh nix angedient, was für Kinder von Interesse gewesen wäre. Und hätte sie es, wäre uns ja von vornherein klar gewesen, dass die Mama kein Geld hat, um das Zeug zu kaufen.

Man muss einfach mithalten?
    Wenn die Meiers, Vater, Mutter und Sohn, gemeinsam aus dem Haus gehen, sind sie üblicherweise in Jeans und T-Shirts gekleidet, ihre insgesamt sechs Füße stecken in weißen Schuhen (Oberteile aus Stoff, Sohlen aus Gummi). Für Menschen bar des modischen Interesses wirken sie dann „ganz gleich angezogen“. Dies ist aber zu kurzsichtig gesehen, denn des Sohnes Kleidung unterscheidet sich von der seiner Eltern gewaltig, und
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