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Liebe auf Dauer

Titel: Liebe auf Dauer
Autoren: Hans Jellouschek
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unterschiedlichen Berufen tätig sind und die auch sonst wenig Gemeinsames haben. Es kann durchaus sein, dass die beiden einmal die ganz große Liebe füreinander waren, aber davon ist nicht mehr viel zu spüren. Wenn man beobachtet, wohin ihre Augen gerichtet sind, kann man feststellen, dass sie Blickkontakt miteinander eher vermeiden, als wäre er ein wenig peinlich. Sie gucken vor sich hin, oder sie richten den Blick ins Weite. Wenn man es krass ausdrückte, müsste man sagen: Die Beziehung ist leer. Oder gar: Sie hat etwas Sinnloses. Manchmal kann man sich sogar des Eindrucks nicht erwehren, dass sie ein »Drittes«, von der Art einer heftigen Krise – wie im letzten Kapitel besprochen, beispielsweise eine Außenbeziehung – förmlich auf sich ziehen, um diese Leere wenigstens damit zu füllen.
    Es fehlt dem Paar tatsächlich häufig etwas Drittes,allerdings etwas, auf das sie miteinander erfreut, interessiert und fasziniert blicken könnten. Hier wird eine weitere Facette von dem deutlich, was die Liebe in Dauerbeziehungen nötig braucht, um lebendig zu bleiben: In der Verliebtheit beglückt es die Partner, ihre Blicke ineinander zu versenken, im Laufe ihres gemeinsamen Lebens brauchen sie aber etwas Drittes, auf das sie miteinander schauen können, etwas Drittes, das die beiden erfüllt, bereichert, im besten Fall begeistert und sie so auch wieder zu lebendiger Zweisamkeit miteinander inspiriert. Von welcher Art kann das sein? Ich möchte zwei Aspekte herausgreifen: die Erfahrung von Wertvollem in der Gegenwart und die Erfahrung attraktiver Perspektiven für die Zukunft.
Die Erfahrung von Wertvollem in der Gegenwart
    Statistiken zeigen, dass Paare, die gemeinsame Kinder haben, sich seltener trennen als Paare ohne solche. Na klar, kann man sagen, die wollen den Kindern das nicht antun! Ich glaube aber nicht, dass es nur daran liegt. Paare mit Kindern haben etwas gemeinsames Drittes, das sie als wertvoll erleben. Wenn sie die kleinen Wesen versorgen und nähren, wenn sie ihr Aufwachsen miterleben, wenn sie mit ihnen nochmals die Welt entdecken und sich von ihrer Faszination und Lebensfreude anstecken lassen – dann erfüllt das ihr eigenes Leben mit tiefem Sinn. Auch wenn ihnen »die Plagen«, wie Kinder in manchen Gegenden Deutschlands genannt werden, zeitweise furchtbar auf die Nerven gehen, auch wenn sie viel Mühe und Anstrengung kosten, so ist doch in den meisten Fällen die Sinnerfahrung das, was im Erleben der Partner überwiegt. Das ist es, was eine Trennung weniger wahrscheinlich macht. Selbst Paare, die sich trennen, bleiben oft über die gemeinsamen Kinder in einer tiefen Verbindung miteinander, die durch nichts zu zerreißen ist.
    Wahrscheinlich wird von den vielen Paaren, die heutzutage bewusst keine Kinder wollen, dies nicht gesehen: Kinder sind nicht nur eine Last. Sie vermitteln dem Zusammenleben der Partner Wert- und Sinnerfahrung. Wenn Paare keine Kinder wollen, verzichten sie damit auf eine wichtige Sinnquelle und eine tiefe Bereicherung ihres Lebens. Schwierig ist freilich, dass man diese Erfahrung nicht im Vorhinein hat, sondern erst im Nachhinein machen kann. In der mentalen Vorwegnahme stehen eher die Schwierigkeiten im Vordergrund: weniger Geld, weniger berufliche Möglichkeiten, weniger Mobilität … Hier wird eine durchaus problematische Seite dessen deutlich, dass im Gegensatz zu früher Kinder zu bekommen nicht mehr selbstverständlich ist, sondern individuell entschieden werden muss, ohne dass man weiß, worauf man sich da einlässt und was einem entgeht, wenn man sich dagegen entscheidet.
    Trotz des Gesagten bin ich freilich nicht der Meinung, Kinder wären die einzige Wert- und Sinnquelle für eine Zweisamkeit auf Dauer. Das »wertvolle Dritte« kann vieles andere sein, und auch wenn Paare Kinder haben, müssen sie sich um andere Dritte als Kinder kümmern. Denn in länger dauernden Beziehungen kann es sein, dass aufgrund der im Durchschnitt immer länger währenden kinderlosen Zeit von Paaren und aufgrund der bedeutend längeren Lebenserwartung die Zeit mit Kindern nur mehr etwa ein Drittel der gesamten Zeit des Zusammenlebens ausmacht. Oft ist zudem die eigentliche Familienphase mit so vielen Dingen ausgefüllt – Kinderversorgung, beruflicher Aufbau, Lebenssicherung –, dass die Frage nach einem sinnerfüllenden Dritten sich gar nicht so deutlich stellt: weil es einerseits genügend Sinnstiftendes in dieser Phase gibt und weil man andererseits gar nicht die Muße hat, sich
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