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Liebe 2.0

Liebe 2.0

Titel: Liebe 2.0
Autoren: Mareike Giesen
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nicht!!!...“
    Es klingt, als
habe Max wichtige Unterlagen des Senders an den russischen Geheimdienst
vertickt, und es dauert auch noch eine ganze Weile, bis wir endlich dahinter
kommen, was unser Schönling eigentlich verbrochen hat. Allem Anschein nach war
es Max’ Aufgabe, in aller Herrgottsfrühe ein paar Zuhörer ans Telefon zu
kriegen, die vor Freude über zwei popelige Avatar -Kinokarten derart
austicken, als hätten sie gerade ein Auto gewonnen. Und irgendetwas ist dabei
wohl schief gelaufen.
    Nathalie gerät
immer mehr in Rage und schafft es einfach nicht, aufzuhören – das klassische
Moderatorensyndrom: In drei Versionen fünfmal das Gleiche sagen und doch nur
heiße Luft produzieren. Würde jemand auf die Idee kommen, ihren verbalen
Durchfall, für den sie der Sender immerhin bezahlt, einmal mitzuschreiben, er
würde vor Fremdschämen im Boden versinken. So wie ich jetzt.
    „Was. Bitteschön.
War. An. Dieser. Aufgabe. So. Schwierig??!!! Das ist wichtige Promotion!“,
keift Nathalie in dem Moment. „Wo liegt dein Problem? Bist du zu blöd, einen
Hörer abzuheben? Eine Nummer zu wählen? Was lernt ihr Kids heutzutage
eigentlich noch?“
     „Lass gut sein,
Nathalie.“ Manuel klopft seiner Kollegin beruhigend auf die Schulter und dämmt
so dankenswerter Weise ihren Redeschwall ein. Dann wendet er sich selbst an den
Angeklagten. „Also, Max, mal ehrlich: Was war los?“
    Knapp und
präzise. So läuft ein Gespräch unter Männern.
    Wie ich Max so
halbtot auf der Tischplatte hängen sehe, tippe ich darauf, dass er lieber in
Frieden ruhen würde, doch das Gezeter hat ihn beizeiten geweckt. Und selbst
wenn er nur die zweite Hälfte mitbekommen hat, so wurde er dank Nathalies Hang
zur Wiederholung immerhin soweit informiert, dass das Morgenduo mit seiner
Leistung in der Frühschicht nicht ganz zufrieden war.
    Während Max sich
langsam in Positur bringt und zur Stärkung einen Schluck von seinem guten
Bohnenkaffee nimmt, werfe ich schnell einen Blick in die Gesichter der anderen.
Welpenschutz hin oder her – da am letzten Tag der Woche die Kraftreserven
nahezu erschöpft sind, wird zunächst einmal abgewartet, und auch ich verlasse
meinen Beobachterposten vorerst nicht. Wer Kaffee klauen kann, der kann sich
auch selbst verteidigen. Und tatsächlich lässt Max sich nicht lange bitten.
    „Nun…“, beginnt
er gedehnt, nippt noch einmal an seiner Tasse – und als wäre es ein gallischer
Zaubertrank, ist er mit einem Mal wieder voll da. Verdammt! Ich will auch was
von dem Zeug! „Ich habe gestern die letzten fünfzig Avatar -Gewinner
benachrichtigt, und bei der Gelegenheit haben mir vier Leute sicher zugesagt,
dass wir sie heute Morgen noch einmal anrufen dürfen. Halt damit ihr sie live
interviewen könnt, wie abgesprochen. Aber heute Morgen war dann plötzlich nix
mehr zu holen: Bei zweien ging keiner ran, und beim dritten meldete sich eine
Oma, die kein Wort von dem verstand, was ich wollte und immer nur sagte: WER
IST DENN DA? WALTHER, BIST DU’S? HALLO? SPRICH DOCH  LAUTER!! WER? KINO?! WIE?
AWA-WAAAS??? “
    Max legt sich
bei seiner Imitation der alten Dame richtig ins Zeug, während ich überlege,
welch aufregende Abenteuer die putzigen Awawas wohl erleben könnten. Mir
schwebt da spontan eine utopische Gesellschaftsform umweltbewusster kleiner
Wichtel vor, die nur in Frieden leben wollen, aber immer wieder gegen die böse
Arbeitsklimaverpesterin Natterlie kämpfen müssen. – Brillant, das wird
mein Durchbruch! Direkt notieren!
    Mittlerweile ist
Max bei seinem vierten Telefonjoker angelangt, der sich wohl ebenfalls als Flop
herausstellte. Noch dazu als ein sehr unflätiger, denn ich höre Dinge wie
„VERF***T NOCHMAL AUSSCHLAFEN!“ und „KARTEN SONSTWO HINSCHIEBEN!!!“ Für
jemanden, der sich zu unchristlicher Zeit noch Unchristlicheres an den Kopf
werfen lassen musste, gibt Max sich erstaunlich souverän. Hart im Nehmen, der
Kerl. Respekt!
    „Immerhin habe
ich die schwerhörige Oma und den motzenden Wichser aufgezeichnet und zu einem
richtig geilen Einspieler zusammen geschnitten. Aber den wolltet ihr ja nicht
haben…“ Jetzt ist es an Max, den Beleidigten zu spielen. „Mehr war nicht drin,
was soll ich da machen?“
    Und zum Zeichen,
dass das Thema damit für ihn erledigt ist, greift er erneut zu seiner Tasse,
leert sie in einem Zug und blickt mit charmig-schiefem Lächeln provozierend in
Nathalies Richtung.
    Irgendwie mag
ich Max. Er weiß, wie man sich in diesem Affenzirkus
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