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Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War

Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War

Titel: Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War
Autoren: Gary Gibson
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Wenn sie Glück hatte, konnte sie vielleicht nach unten klettern, oder sogar …
    Bis zum Boden waren es mindestens fünfhundert Meter. Der Weg hinunter war sehr, sehr lang. Trotz ihres Pilotentrainings,
das ihr in Fleisch und Blut übergegangen war, überkam sie ein plötzlicher Schwindel. Ihre körperliche Nacktheit, bei der sie sich ungemein verletzlich vorkam, und die unvermutete Entdeckung, in welch großer Höhe sie festsaß, bewirkten in ihr diesen Anfall von Schwäche. Sie zog sich in ihre Kammer – Zelle? – zurück, aber erst, nachdem sie ausgiebig die Reihen von gigantischen Türmen betrachtet hatte, die kreuz und quer aus einer weiten Flussniederung herausragten; die Ebene wurde eingerahmt von mächtigen Gebirgszügen, die blau schimmernd den fernen Horizont begrenzten.
    Die Türme, von denen jeder einzelne wesentlich höher war als Dakotas Aussichtspunkt, entsprachen der Bauweise nach einem bestimmten Grundmuster. Alle besaßen großflächige, geriffelte Sockel, die sich nach oben hin leicht verjüngten, ehe sie in einer gleichfalls kannelierten Spitze gipfelten. Jedes Bauwerk war mit breiten, abwechselnd hellrosa und cremefarbenen Querstreifen verziert. Viele wiesen außerdem verschnörkelte Glyphen auf, die sowohl zur Dekoration als auch profaneren Zwecken dienen mochten, doch sie ähnelten eindeutig den in die Wände ihres derzeitigen Quartiers eingeätzten Mustern.
    Der Strom, der sich zwischen die ihr am nächsten gelegenen Türme hindurchschlängelte, wurde von mindestens einem Dutzend Nebenflüssen gespeist, deren Verläufe inmitten einer dicht besiedelten Städtelandschaft als silbern glitzernde Linien zu erkennen waren.
    Geflügelte Punkte flitzten ständig zwischen den Türmen hin und her. Sie begriff, dass es sich um Bandati handelte, eine Spezies, denen die Handelsbestimmungen der Shoal einen Einflussbereich gewährten, der unmittelbar an die von den Menschen kontrollierten Gebiete grenzten.
    Sie erinnerte sich daran, wie sie zum ersten Mal etwas von dem Volk der Bandati gehört hatte … aber wo war das gewesen?
    Ach ja, Bellhaven! Ihre Heimatwelt.

    Wieso waren alle ihre Erinnerungen so diffus? Was blockierte ihr Gehirn?
    Fern am Horizont gewahrte sie ein weitgespanntes Glitzern. Wahrscheinlich dehnten sich dort die Küsten eines Ozeans aus, in den das Netz aus Wasserwegen mündete, das sich tief drunten in der Ebene verzweigte. Jählings erinnerte sie sich an flüchtige Eindrücke von fremdartigen Gesichtern – große schwarze Augen, die sie kühl und leidenschaftslos musterten -, und sie erinnerte sich an Alpträume, schreckliche Alpträume.
    Die großen schwarzen Augen gehörten Bandati, vergegenwärtigte sie sich.
    Bin ich denn ihre Gefangene?, wunderte sie sich. Das war die große Frage.
    Es lag ganz klar auf der Hand, dass jeder Bandati, den es danach gelüstete, problemlos in ihre Zelle hineinfliegen konnte (der Verdacht, dass sie eine Gefangene war, erhärtete sich rasch zu einer festen Überzeugung). Sie hingegen, ein Mensch ohne Flügel, wäre niemals in der Lage, ihr Gefängnis aus eigener Kraft zu verlassen. Einen Fluchtweg gab es nicht. Die Tür stellte die einzige Verbindung zur Außenwelt dar, nirgendwo sonst im Raum fand sich eine weitere Öffnung in den Wänden.
    In diesem Loch hoch über dem Erdboden war sie genauso sicher verwahrt, als sei der nach draußen führende Spalt mit einem unter Strom stehenden Stahlgitter verriegelt.
    Sie krabbelte noch einmal auf das vorspringende Sims hinaus und legte sich flach auf den Rücken, um nach oben peilen zu können. Sofort erkannte sie, dass sie in einem Turm steckte, der denen glich, die die Landschaft durchsetzten. Über ihr stürmte die Außenwand steil in schwindelerregende Höhen.
    Plötzlich übermannte sie ein heftiges Déjà-vu; es war, als sei jede Handlung, die sie jetzt unternahm, jeder Gedanke, der ihr nun durch den Kopf schoss, schon tausendmal zuvor durchexerziert und nur immerzu wiederholt worden.

    Ihrer Schätzung nach befand sich ihre Zelle ungefähr auf halber Höhe des Gebäudes, und sie entdeckte eine große Anzahl von uneinheitlichen Vorsprüngen und zerbrechlich aussehenden Galerien, die aus der Wand des Turms herausragten, die sich über und unter ihrem Aufenthaltsort allmählich nach außen abschrägte. Die Galerien machten keinen stabilen Eindruck, sondern sie wirkten so morsch, als seien sie planlos aus irgendwelchen Abfällen zusammengeschustert worden; wie ein vertikal gebautes Elendsviertel
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