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Lichtraum: Roman (German Edition)

Lichtraum: Roman (German Edition)

Titel: Lichtraum: Roman (German Edition)
Autoren: Gary Gibson
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Millionen davon, die sich über ein mehrere Lichtjahre umfassendes Areal verteilten, in dessen Mitte sich der Rote Riese befand.
    Der Schwarm erfüllte den superluminalen Äther mit kurzen Ausstößen von Daten, eine Kakophonie aus unartikulierten Stimmen, die alle einander über enorme Entfernungen hinweg anbrüllten.
     
    Wahrend sich das Schiff annäherte, verbrachte Dakota ihre Zeit damit, durch die endlosen virtuellen Welten zu driften, die in den Speicher-Stacks ihres Schiffs enthalten waren; subjektiv vergingen Tage und Monate, wenn draußen im Universum lediglich Sekunden vorbeihuschten. Sie verwandelte sich in eine Schar vogelähnlicher Kreaturen, die durch die dichte Luft einer Welt mit hoher Schwerkraft flogen und auf der Jagd nach Beute ins Wasser hinabtauchten. Sie erfuhr, wie sich das Leben als Krümmung von mit Bewusstsein ausgestatteten magnetischen Wirbeln in der Photosphäre eines Sterns gestaltet, dann erforschte sie die Ruinen einer ertrunkenen Stadt im Körper eines aalgleichen Lebewesens, dessen entfernte Vorfahren sie
gebaut und später ihre Vergangenheit vergessen hatten. Ihr eigener Körper fühlte sich an wie eine verblasste Erinnerung; in Wirklichkeit war er schon seit langem mit dem Organismus des Schiffs verschmolzen, wodurch ihr Geist die Freiheit gewann, nach Belieben umherzustreifen.
    Ein Teil von ihr wäre am liebsten bis in alle Ewigkeit in diesen Welten geblieben, während ein anderer Teil sie beharrlich daran erinnerte, was es hieß, ein Mensch zu sein.
     
    Dakota merkte, dass sie von Gespenstern heimgesucht wurde.
    Anfangs konnte sie die Geister noch nicht sehen, vage Präsenzen, die sie höchstens als flüchtige Schemen wahrnahm, doch mit der Zeit gewannen sie an Substanz und wirkten immer realer. Sie besaßen die Stimmen und die Gesichter von Menschen, die sie gekannt und geliebt hatte und die ihretwegen sterben mussten. Sie ertappte sich bei der Frage, ob das bedeutete, dass sie den Verstand verlor.
    »Siehst du?«, rief eines der Gespenster, das sie durch ein Labyrinth aus Daten verfolgte. Es trug Josefs Antlitz. »Der Schwarm ist nicht nur eine Wolke aus miteinander vernetzten Objekten; sie stellen ein einziges Wesen dar. Wenn wir den Transmissionen lauschen, hören wir die Gedanken dieses Individuums.«
    »Verschwinde!«, kreischte sie, weil sie sich vor den Erinnerungen fürchtete, die er in ihr auslöste. Doch selbst als sich Josefs Geist verflüchtigte, vergegenwärtigte sie sich, dass er Recht hatte. Jedes Mitglied dieses Schwarms – jede Komponente  – war ein einzelnes Neuron in einem ungeheuer weit verteilten Gehirn. Der Schöpfer war fremdartig in einer Art und Weise, wie sie ihr noch nie zuvor begegnet war; er hatte die Prinzipien der ohne Zeitverlust funktionierenden Kommunikation über Tach-Net-Signale angewandt und so eine neue Form von Maschinenleben geschaffen. Aber dann fiel ihr ein, in was sie sich verwandelt hatte, und sie fragte sich, ob sie wirklich so viel anders war.
Ein paar Tage später – jedenfalls nach Zeitmaßstäben, die im äußeren Universum gültig waren – steuerte Dakota das Schiff in ein Rendezvousmanöver mit einer der Schwarmkomponenten. Vorsichtig näherte sie sich an, argwöhnisch, wie das Objekt auf die Anwesenheit ihres Schiffs oder auf das behutsame Sondieren seiner internen Systeme reagieren würde. Als es schien, dass kein Widerstand zu erwarten war, ließ sie die Komponente von ihrem Schiff hereinholen.
    Zum ersten Mal seit über einem Jahr formte Dakota ihren physischen Körper wieder aus und schuf an Bord einen Raum für sich und für die soeben geborgene Komponente. Ihr schwarzes Haar fiel ihr tief in die Stirn, und über den dunkelbraunen Augen wölbten sich wieder die dichten schwarzen Brauen.
    Die Schwarmkomponente war ungefähr zehn Meter lang; feine Sensoren und neuronale Leitungen verbargen sich unter einer Reihe von robusten Platten, die vom jahrhundertelangen Bombardement durch mikroskopisch kleine Partikel zerschrammt und eingedellt waren. Es handelte sich eindeutig um eine Von-Neumann-Maschine, die imstande war, sich unendlich oft selbst zu replizieren; Isotopen-Messungen und eine Analyse der Außenhülle zeigten, dass das Rohmaterial zu ihrer Konstruktion von Asteroiden und durch den Raum treibenden interstellaren Körpern stammte.
    Seit ihrer Ankunft in der Umgebung des Roten Riesen hatte Dakota unterschiedliche Typen von Komponenten ausgemacht. Einige schienen in erster Linie als Relais für Transmissionen
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