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Lichtraum: Roman (German Edition)

Lichtraum: Roman (German Edition)

Titel: Lichtraum: Roman (German Edition)
Autoren: Gary Gibson
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Fehler«, warnte der Geist.
    »Nein. Es ist ein Risiko, aber wir müssen es eingehen.«

Kapitel Zwei
    Nathan Driscoll blickte hoch und bemerkte, dass eine der Sonnen ausgegangen war.
    Er trat einen Schritt zurück, die Hände blutverschmiert, den Gestank von verbranntem Fleisch in der Nase, und sah zu, wie ein Evakuierungsteam den verletzten Soldaten abtransportierte, den er gerade versorgt hatte, und ihn in eine bereitstehende Flugambulanz verfrachtete. Die Medbox-Units, die früher zur Inneneinrichtung der Ambulanz gehört hatten, waren längst entfernt worden, deshalb schob man die Trage mit dem Soldaten einfach in die letzte freie Klammer. Sämtliche anderen Plätze waren bereits mit verwundeten Männern und Frauen belegt.
    Nathan studierte das Muster aus trüben roten Kuppeln, die zwölf Kilometer über der Stadt Ascension an der gewölbten Decke des Kernschiffs klebten, wobei sein Atem in der Luft gefror. Er konnte nicht genau ausmachen, welche von den mehreren tausend Fusionskuppeln gerade den Geist aufgegeben hatte, aber er hatte den jähen, wenn auch minimalen Abfall von Helligkeit gespürt; soeben war die ohnehin schon dunkle Welt noch ein bisschen düsterer geworden. In dem fruchtlosen Versuch, sich gegen die beißende Kälte zu wappnen, zurrte er seinen Schal enger um den Hals.
    Er blickte wieder nach unten, und in diesem Moment sah er sie.
    Eine Gruppe Flüchtlinge – insgesamt rund ein Dutzend Männer, Frauen und Kinder – schlängelte sich ungefähr einen halben Block weiter an der zertrümmerten Fassade eines Einkaufszentrums entlang. Wahrscheinlich hatte man diese Leute gezwungen, ihre Häuser zu verlassen, als die Kämpfe zwischen
dem Konsortium und Peraltas terroristas sich längs der Ufer des Ersten Kanals ausbreiteten. Trotz des Halbdunkels hatte Nathan eine Frau mit langen, braunen, zu einem Pferdeschwanz hochgebundenen Haaren entdeckt, deren vor Angst verzerrtes Gesicht mit Dreck verschmiert war.
    Er erhaschte nur einen flüchtigen Blick auf sie, trotzdem vollführte sein Herz einen Sprung.
    Ilsa.
    Kaum hatte er sie erspäht, da kündigte eine Reihe von den Boden erschütternden Donnerschlägen die Rückkehr einer vierbeinigen Rover-Einheit aus dem Kampfgebiet an. Soldaten klammerten sich an den Seiten fest, während man die am schwersten Verwundeten auf Pritschen gelegt hatte, die sich auf dem Dach des Rovers befanden. Zusammen mit den beiden anderen freiwilligen Sanitätern stürmte Nathan vor und half, die Verletzten in eine andere Luft-Ambulanz zu verladen, die gleich nach dem Abheben der ersten auf dem brüchigen Asphalt gelandet war.
    Noch während Nathan arbeitete, beschlichen ihn Zweifel. Er hatte diese Frau nur für den Bruchteil einer Sekunde gesehen; und von ihrem Gesicht war nur ein Teil zu erkennen gewesen. Sie trug mehrere Schichten Kleidung übereinander, und um den Hals hatte sie wegen der dramatisch absinkenden Temperaturen einen Lumpen gewickelt. Seit die Shoal das Kernschiff verlassen hatten, nahm nicht nur ständig die Helligkeit ab, sondern es wurde auch immer kälter. Man musste kein Genie sein, um sich zu vergegenwärtigen, dass das Schiff in den letzten Zügen lag.
    Nathan hievte sich in die zweite Luft-Ambulanz hinein, gemeinsam mit Kellog und dem anderen neuen Freiwilligen, dessen Namen er schon vergessen hatte. Die Triebwerke der Ambulanz fingen an zu jaulen und bereiteten sich auf den Start vor, doch mit den Gedanken war er ganz woanders.
    Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hatte er sich geirrt, denn er bildete sich ein, überall Ilsa zu sehen, egal, wohin er schaute: In den Gesichtern der Soldatinnen und freiwilligen Helferinnen, oder in denen der Flüchtlinge, die den größten Anteil der hier verbliebenen Menschen darstellten; oder unter den Leichen, die die Straßen und Kanäle füllten, seit die Kämpfe immer gnadenloser tobten.
    Und dennoch, dieses Mal hätte sie es sein können. Es hätte Ilsa sein können. Wenn es ihm gelang, sie zu finden … sofern sie überhaupt noch am Leben war …
    Nathan sprang wieder aus dem offenen Heck der Ambulanz heraus. Von den Flüchtlingen vermochte er keine Spur mehr zu entdecken, aber er nahm an, dass sie zum Kanalufer unterwegs waren. Seine fluoreszierende Plastikweste – die ihn eindeutig als Nicht-Kombattanten identifizieren sollte – flatterte ihm in der Rückströmung der Jets um die Taille.
    »Nathan!«, bellte Kellog zu ihm hinunter. »Was zum Teufel machst du da?«
    Nathan blickte hoch und
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