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Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)

Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)

Titel: Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)
Autoren: Jordan Bay
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andere als die Akkadia, deren Duft er gefolgt war.
    Diese Erkenntnis hatte Ju mit voller Wucht getroffen und die Hoffnung in seinem Inneren von einem auf den anderen Moment zerstört. Und als wäre das nicht genug, hatte sie sich auch noch verletzen müssen. Dummes Ding! Jetzt fühlte er sich verantwortlich, weil sie vor ihm geflohen war.
    „Geht es deinem Knie besser?“, fragte er so leichtfertig wie möglich. Doch der Hunger ließ seinen Magen immer wieder verkrampfen.
    „Ja. Scheint so“, murmelte sie und musterte ihn weiter skeptisch.
    Sie konnte nicht viel älter als Zwanzig sein. Zu seiner Zeit starben die menschlichen Hirten der Akkadier nicht vor dem dreißigsten Lebensjahr, was sowohl Vor- als auch Nachteile hatte.
    Ob ihr bewusst war, dass sie gestorben war?
    Diese Sache wurde zunehmend komplizierter. Wenn sich der Ahn, der sie gewandelt hatte, nicht um sie kümmerte, brach er nicht nur die Regeln, sondern setzte diese Akkadia und die Menschen, die einst ihr Leben begleitet hatten, einer großen Gefahr aus.
    Der Tibeter schüttelte innerlich den Kopf und überlegte. Hier stand er nun – rachsüchtig, ausgehungert, verletzt – und bekam eine blutjunge Akkadia vorgesetzt. Die Schicksalsgöttinnen hatten entweder Langweile oder verfolgten Pläne, für die sie ihn brauchten.
    „Haben Sie eine Ahnung, wo zum Teufel wir hier sind?“, riss sie ihn aus den Gedanken.
    „Etwa zwanzig Kilometer südlich von Hveravellir.“
    Der Mund der jungen Frau klappte nach unten. „Was? Scheiße! Wie bin ich soweit ins Landesinnere gekommen?“ Sie wandte sich ab, fuchtelte mit den Händen umher und schaute suchend in die Ferne. „Mann, ich fass es nicht. Toll gemacht, Elín! Richtig klasse!“
    Elín – die Leuchtende, übersetzte Ju ihren Namen in Gedanken.
    Sie trampelte mit den Füßen auf der Stelle und schlug immer wieder mit der rechten Hand gegen ihre Stirn. Als sie bemerkte, dass er sie beobachtete, drehte sie sich schwungvoll zu ihm um.
    „Haben Sie zufällig ein Auto in der Nähe? Oder noch besser: ein Handy!“ Sie grinste über beide Wangen.
    „Nein. Ich bin zu Fuß unterwegs. Ein Funktelefon besitze ich nicht. Wenn du Richtung Norden gehst, erreichst du die F35. Von da aus kommst du am schnellsten zurück in die Zivilisation“, versuchte Ju sie zu ködern. Er brauchte Zeit. Irgendwie musste er sie dazu bringen, ihre Erinnerung wiederherzustellen.
    Noch während er das gesagt hatte, war ihr Lächeln verschwunden. Zurück blieb erneute Fassungslosigkeit. „Laufen … Zwanzig beschissene Kilometer … Ich … bin jetzt schon total durchgefroren!“ Sie war komplett hilflos. Und besaß absolut keine Manieren.
    Der Akkadier legte den Langstock ab, zog seinen Mantel aus und reichte ihn ihr wortlos.
    Elín nahm ihn nach kurzem Zögern und presste die Lippen verschämt aufeinander. „Danke.“ Sie legte sich den hellen Umhang um die Schultern.
    „Ich wollte sowieso in die Richtung. Du kannst mich gern begleiten.“
    „Ach, wirklich? Das …“, sie betrachtete ihn skeptisch, „… ist echt richtig nett von Ihnen, wo meine Eltern sicher schon einen Suchtrupp nach mir losgeschickt haben“, sagte sie dann lauter.
    Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte Ju über diesen Versuch, sich selbst als potentielles Opfer uninteressant zu machen, schmunzeln können. Zumindest war sie nicht auf den Kopf gefallen.
    „Du kannst mich gern Ju oder Thanju nennen.“
    Elín holte Luft. „Fein. Ju oder Thanju, du scheinst mir zu der Sorte Mann zu gehören, die auch ohne Kompass wissen, wo Norden liegt.“
    „Natürlich.“ Ju wies mit der Hand nach rechts. „Kannst du problemlos laufen?“
    Elín machte drei Schritte vor, belastete ihr rechtes Bein und nickte. „Mann, erstaunlich, und ich dachte, es wäre gebrochen. Was hab ich doch für ein Schwein, hmm?“
    Eher die Selbstheilung einer Akkadia, dachte Ju.
    Er ging los und Elín gesellte sich in etwa zwei Metern Abstand zu ihm.
     
    Naham knurrte.
    Ganz ruhig, mein Mädchen, sagte Diriri zu ihr. Alles ist, wie es sein soll.
    Thanju und die junge Akkadia begannen ihre Reise und der Tibeter würde sich vielleicht endlich von seiner alten Freundin lösen können. Es war nicht so, dass die Schicksalsgöttinnen mit Diriri verhandelten, aber seitdem sie als Stern am Himmel leuchtete, hatte sie ein Gefühl dafür entwickelt, Zufall und Schicksal voneinander zu unterscheiden. Und die beiden Geschöpfe, die dort unten in der Finsternis nebeneinander herliefen –
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