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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit
Autoren: Kerstin Rachfahl
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Elternhaus abgeholt wurde, aber hier handelte es sich um eine reine Farce. Weder war der Bräutigam gekommen, noch ging die Braut mit ihrer Hochzeit einer strahlenden Zukunft entgegen – eher ihrem Todesurteil.
    Inwieweit war es eine Ehre, Gemahlin dieses hohen Lords zu werden? Levarda grübelte seit Wochen über Fragen wie diese. Sie fand darauf keine Antwort. Wenn sie nur an das Schicksal der vorherigen Ehefrauen des Herrschers von Forran dachte, lief es ihr kalt den Rücken herunter.
    Es war eine Chronik des Todes – fünf Gemahlinnen zum Tode verurteilt! Ob sich seine erste Frau wirklich selbst das Leben genommen hatte? Wenn sie auch ihrem Gemahl keinen Thronfolger schenken konnte, wieso hatte man die Verbindung nicht gelöst?
    Levarda verwarf ihre Gedanken. Es gab keine verständliche Erklärung für die Sitten in diesem Land, nur die, dass Männer für sie verantwortlich waren.
    Es war allein ein Affront vonseiten des hohen Lords, dass er nicht selbst kam, um seine Braut in ihr zukünftiges Heim zu geleiten, sondern stattdessen den Anführer der Garde schickte – Lord Otis. Ihr Onkel ignorierte nicht nur diese Beleidigung, sondern richtete Lord Otis noch dazu einen besonders ehrwürdigen Empfang mit der glanzvollen Abschiedsfeier für seine Tochter aus.
    Levarda verstand nur eines: Die Hoffnung der Brauteltern lag auf ihren Schultern. Mit ihrem Heilwissen und ihren Fähigkeiten waren sie und ihre Mutter Kaja die Einzigen, die Lady Smira würden unterstützen können, darum hatte Tibana sich an Kaja gewandt. Im Gegensatz zu ihrer Mutter war schließlich Levarda bereit gewesen, in das Geschick des hohen Paares und des Landes Forran unterstützend einzugreifen, obwohl dies gegen den Willen des Ältestenrates ihres Volkes geschah.
    Damit war ihr der Weg zurück nach Mintra für immer verwehrt. Nie wieder könnte sie ihre Heimat betreten. Die Entscheidung war ihr schwergefallen, aber sie ahnte, dass dieser Weg ihr bestimmt war.
    Im Moment verzweifelte sie schon an den Einschränkungen und Regeln des Hoflebens. Auch konnte sie die Beweggründe des Lords nicht verstehen. Wer gab seine Tochter freiwillig diesem skrupellosen Herrscher? Dem so geehrten Hause blieb doch offensichtlich keine andere Wahl, als die Tochter an den hohen Lord auszuhändigen. War es nicht passender, Trauer anzulegen oder das Kind wenigstens in Stille ziehen zu lassen? Es graute ihr vor den endlosen Festlichkeiten, die mit einem strengen Protokoll einhergingen.
    Die Aufmachung der Hofdamen von Lady Smira lieferte einen Vorgeschmack davon, was in den nächsten Tagen auf sie zukam. Die Oberteile ihrer Kleider waren eng geschnürt und ihr Ausschnitt verlief bis zum Brustansatz. Durch die Enge der Schnürung hoben sich so die Brüste rund und voll dem Betrachter entgegen. Je nach Reichtum der Familie waren die Kleider mit Perlen, goldenen und silbernen Stickereien und Edelsteinen verziert. Die Röcke bestanden aus verschiedenen Lagen. Die letzte Stoffbahn wurde nach vorne offen geschnitten wie ein Vorhang, reichte hinten zwei Schritte weit auf den Boden und besaß die gleiche Machart wie das Oberteil. Der letzte Unterrock, einfarbig gehalten, reichte vorn wie bei Levardas Kleid bis knapp zu den Knöcheln. Beim Tanzen musste die Dame ein Band im Oberrock fassen, das die lange Schleppe ihres Kleides ein wenig anhob, damit sie nicht darauftrat.
    Inmitten der Frauen mit kunstvoll aufgesteckten Haaren, die mit Perlen und Blumen geschmückt waren, wünschte sie sich, sie hätte wenigstens ihre Haare zusammengebunden und am Kopf befestigt. Stattdessen trug sie nur die vorderen Strähnen geflochten, sodass ihre dunkelbraunen, glatten Haare aus dem Gesicht gehalten wurden.
    Sie fasste unwillkürlich an ihr Amulett mit dem weißen Kristall in der Mitte. Mehr Schmuck trug sie nicht. Mehr Schmuck besaß sie nicht. In ihrem Volk galt es als unschicklich, sich mit Gold, Silber und Edelsteinen zu behängen.
    Welch eine Umstellung, all die bunten Farben, all den Glitzer, all den Reichtum und Überfluss hier so offen zur Schau gestellt zu sehen. Die Frauen trugen sogar Farbe auf ihre Gesichter auf. Äußerliche Attraktivität, so schön von ihrer Tante hervorgehoben, war wichtig für die Frauen von Forran. Für ein angenehmes Leben an der Seite eines hochrangigen Mannes. In Forran waren Frauen völlig abhängig von ihrem Mann.
    Heute herrschte besondere Aufregung unter den Damen des Hofes, in deren Mitte sich Levarda eingereiht hatte. Lord Otis stand an erster
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