Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit
Autoren: Kerstin Rachfahl
Vom Netzwerk:
werfen, da sie schon jetzt als Eigentum des hohen Lords galt, dessen Gemahlin sie bald werden sollte. Doch der Stoff war durchscheinend genug, um die feinen Gesichtszüge des jungen Mädchens darunter erahnen zu lassen, das volle, goldfarbene Haar kunstvoll geflochten um ihren Kopf drapiert. Ein goldener Reif mit blauem Saphir steckte darin – der hohe Lord hatte ihn als erstes Brautgeschenk seiner Werbung beigefügt.
    Lady Tibana stand ihrer Tochter, der blutjungen Braut, an Schönheit nicht nach. Ihr Haar schimmerte im gleichen warmen Goldton, ihre Haut war hell, zart und ebenmäßig. Levarda dachte an ihr eigenes, durch die Sonne getöntes Gesicht. Es passte nicht in diese Gesellschaft. Sie sah den Blick von Lady Tibana zufrieden auf ihre Tochter gerichtet, die völlig in ihrem Glück erstrahlte. Es gab keine höherstehende Dame im Land als die Frau des hohen Lords.
    Lady Tibanas blaue Augen hatten Levarda entdeckt und ihr Ausdruck wandelte sich.
    »Wo bleibt Ihr denn? Wir warten seit einer Ewigkeit auf Euch!« Sie musterte ihre Kleidung, schnappte nach Luft. »Und wie seht Ihr aus?!«
    Levarda sank in einen demütigen Knicks. »Verzeiht, Lady Tibana, ich wusste nicht, dass mit der Ankunft der Garde zu rechnen war.«
    »Wäret Ihr in Euren Gemächern gewesen, wie es sich für eine Hofdame geziemt, anstatt durch die Wälder zu reiten, hätte Euch ihr Eintreffen nicht überrascht!«
    Levarda blieb in dem Knicks, schwieg und wartete.
    Mit einer knappen Geste gestattete ihre Tante ihr, sich aus der Verneigung wieder aufzurichten. »Seit drei Monaten bereiten wir Euch auf diesen Tag vor, und das ist alles …«, ihre Hand zeigte von oben nach unten an Levardas Gestalt entlang, »was Ihr zustande bringt? Offenes Haar, schlichtes Kleid, ungepudertes Gesicht, glanzlose Lippen! Ihr kennt die Maßstäbe, an denen Ihr in Zukunft gemessen werdet. So genügt Ihr den Ansprüchen nicht! Es kommt auf das Äußere einer Frau an, gepaart mit Abstammung, Haltung und Anmut. Wie sollen wir Euch so …«, ihre Stimme wanderte hysterisch nach oben, »… in den Kreis der Hofdamen beim hohen Lord bekommen?«
    Das Schnattern ihrer Damen verstummte schlagartig. Aller Augen richteten sich auf Levarda. Sie hasste es, im Mittelpunkt zu stehen, darum hatte sie das schlichte Festkleid aus Mintra gewählt. Sie wollte nicht auffallen und kein männliches Interesse wecken, sondern besser unsichtbar bleiben.
    Ihr matt glänzendes Kleid, das in seiner Gewebestruktur in verschieden Nuancen von Grün schillerte, hob sich von denen der anderen ab, denn sein Glitzern kam nicht von goldenen Fäden, Perlen und Pailletten, sondern von der natürlichen Gewebeart des Stoffes, der durch das Licht, das auf ihn fiel, und durch Levardas besondere Eigenschaften lebendig schimmerte. Der grüne Stoff symbolisierte das Wasser.
    Während sich ihr Oberteil vorn mit einer dunkelgrünen Schnürung schließen ließ, wurden die Kleider der Forranerinnen hinten geschlossen, sodass immer eine Dienerin das Gewand schnüren musste. Der runde Ausschnitt an Levardas Oberteil reichte bis zum Schlüsselbein und besaß eine kunstvolle Stickerei aus hellgrünem Garn, das eine Blumenranke abbildete. Levarda selbst hatte Tage damit verbracht, diese Verzierung an ihrem Gewand anzubringen. Bis zur Taille schmiegte sich ihr Kleid auf bequeme Weise der Form ihres Oberkörpers an. Ihre Hüfte umwand ein schwarzer Gürtel, in den die Zeichen der vier Elemente – Wasser, Luft, Feuer und Erde – geprägt waren. Der Rock war weit genug geschnitten, umschmeichelte ihre Beine bei jedem Schritt. Vorn reichte er bis knapp über ihre Fußknöcheln und berührte hinten den Boden.
    Ihre Cousine kam Levarda zu Hilfe. »Mutter, seid nicht so streng zu ihr«, bat sie, » Ihr wisst, dass ihr Kleid von hoher Qualität ist, wenn auch ungewöhnlich, und es besitzt seinen eigenen Charme. Außerdem ist es zu spät für einen Wechsel des Gewands.« Sie stockte. »Erst recht für die Frisur, fürchte ich.«
    Lady Tibana seufzte tief. »Du hast recht, mein Kind, und alle Aufmerksamkeit wird sich ohnehin dir zuwenden.«
    Als die Trompeten zum Beginn der Feierlichkeiten ertönten, zuckten die Damen zusammen. Angeführt von Lady Tibana und Lady Smira formierte sich die Prozession der Frauen zur Festhalle.
    Es hatte Levarda in Erstaunen versetzt, dass Lord Blourred auf die vier Tage andauernde Festlichkeit bestanden hatte. Zwar entsprach dies der Tradition im Land Forran, wenn eine Braut vom Gemahl aus ihrem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher