Level 4 07 - 2049

»Wieso denn? Ich will mich aber treffen!«
    Jennifer überlegte, wie es wohl wäre, wenn man eines Tages aufwachte und feststellte, dass man seine eigene Kopie in der Zukunft wäre. Ein schrecklicher Gedanke, fand sie. Vermutlich würde sie verrückt werden. Auf jeden Fall aber würde sie durchdrehen, wenn mit einem Male eine alte Oma über die Straße laufen und ihr mitteilen würde, dass sie das eigene Ich sei – nur fünfzig Jahre älter. »Nein!«, entschied Jennifer. »Ich würde mich meiner Kopie auf keinen Fall zeigen!«
    Frank tendierte mit seiner Meinung zu Jennifer. »Was meinst du?«, fragte er Ben. »Wird so etwas eines Tages mal möglich sein und die Forscher machen dann so etwas wirklich?«
    »Ach wo!«, kicherte Miriam. »Mensch, was ihr immer so alles glaubt. Ich glaube nur, die durchgeknallten Forscher da drinnen sind gerade mal satte 500 Mark pro Person losgeworden!«
    Jennifer hatte den Blick nicht von Ben abgewandt. Sie wartete auf seine Antwort.
    Ben zuckte mit den Schultern. »Wieso eines Tages?«, fragte er zurück. »Vielleicht haben sie unsere Gehirne eben wirklich gescannt. In der Forschung halte ich nichts für unmöglich!«
    Jennifer erschrak. »Und dann?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Ben ruhig. »Ehrlich gesagt hoffe ich, dass ich es nie erfahren werde.«
    »Weißt du was?«, sagte Jennifer. Sie zerrte Ben am Ärmel zu sich herüber und schleifte ihn mit auf die andere Straßenseite.
    »Was hast du vor?«, fragte er.
    Jennifer machte vor einem Schaufenster eines Ladens Halt, in dem es Poster, Bilderrahmen und kleine Gemälde zu kaufen gab.
    »Hier wollte ich schon immer mal etwas kaufen!«, sagte sie schwärmerisch. »Und heute habe ich endlich mal genügend Geld dafür!«
    Thomas sah auf die Preisschilder und schüttelte nur den Kopf. Er konnte nicht nachvollziehen, wie jemand so viel Geld für ein Bild ausgeben konnte. Bestimmt konnte man jede Menge Bilder auch gratis haben, wenn man nur danach suchte. Er jedenfalls besaß schon drei Gemälde in seiner Garage, die er im Sperrmüll gefunden hatte.
    Jennifer zeigte auf eines der Bilder in der Auslage. Es kostete 150 Mark. »Das ist ganz neu!«, war sie sich sicher. »Letzte Woche hatten sie es noch nicht.«
    Traumstadt
hieß es und war – man konnte es erkennen,wenn man die Nase ganz dicht an die Schaufensterscheibe drückte – mit
K. Kehr ’99
signiert.
    »Gefällt es dir?«, fragte Jennifer.
    Ben nickte. Er machte sich nicht besonders viel aus Bildern. Aber dieses hier war wirklich wunderschön und versetzte ihn in eine zauberhafte, fast mystische Stimmung.
    »Ja!«, hauchte er leise.
    Das genügte Jennifer.
    Ehe irgendjemand begriff, was Jennifer da trieb, stürzte sie in den Laden, kaufte das Bild und schenkte es ihrem Freund.
    »Du bist verrückt!«, fand Ben.
    »Sollte ich je daran zweifeln, dass du mein Original-Ben bist, dann zeige mir dieses Bild!«, sagte Jennifer in feierlichem Ton. »Denn das Bild ist wirklich ein Original, das es nur einmal gibt!«
    »Danke!«, flüsterte Ben mit einer Träne im Auge.
    »Ach, das muss Liebe sein!«, schmunzelte Miriam.
    Ben freute sich so sehr über das kostbare Geschenk, dass auch er Jennifers Denkfehler nicht bemerkte. Denn sie kaufte das Bild erst nach dem Gehirn-scanning. Sollte sie es also eines Tages als kopierte Jennifer wieder sehen, würde sie nicht wissen, es jemals gekauft zu haben. Auf jeden Fall schwor er sich dieses Bild ewig aufzubewahren, egal wie wertvoll es einmal sein würde.

Informationen zum Buch
    Geld im Schlaf verdienen – wer will das nicht? Miriam jedenfalls ist ganz wild darauf, als sie eine Anzeige mit dieser Überschrift liest, denn in ihrem Sparschwein ist Ebbe. Also überredet sie ihre Freunde Ben, Jennifer, Frank und Thomas mitzumachen und sich einem Labor für einen Versuch zur Verfügung zu stellen: Es geht um Gehirnscanning – ein Verfahren, bei dem ihre Gehirne kopiert werden sollen. Völlig ungefährlich, wird ihnen versichert. Doch als sie aufwachen, stecken sie in künstlichen Körpern. Und noch schlimmer – 50 Jahre in der Zukunft! Eine abenteuerliche Flucht vor skrupellosen Wissenschaftlern und wild gewordenen Wachmännern beginnt …

Informationen zum Autor
    Andreas Schlüter
, geboren 1958, ist einer der erfolgreichsten Jugendbuchautoren der letzten Jahre. Gleich sein erstes Buch, ›Level 4 – Stadt der Kinder‹, wurde ein Bestseller, dieser und alle weiteren Computerkrimis aus der Level 4-Serie sind bei dtv junior im Taschenbuch