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Leuchtende Sonne weites Land - Roman

Titel: Leuchtende Sonne weites Land - Roman
Autoren: Elizabeth Haran Sylvia Strasser
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Schuldgefühle. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr, er würde tun, was getan werden musste. Er holte tief Luft und sagte ernst: »Jacqueline.«
    »Hm?«, machte sie abwesend, den Blick aufs Festland gerichtet, in Gedanken bei ihrem neuen Zuhause. Jetzt, wo Australien und ihr Ziel in diesem fremden Land in greifbare Nähe gerückt waren, war sie zum ersten Mal seit ihrer Abreise aus New York richtig aufgeregt.
    »Ich muss etwas mit dir besprechen. Etwas sehr Wichtiges.«
    Henrys Herz raste, der Schweiß brach ihm aus allen Poren, und es gelang ihm nicht, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken. Er hatte eigentlich warten wollen, bis sich seine Frau vollständig erholt hatte, aber er merkte, wie ihm die Zeit davonlief.
    »Jacqueline, hörst du mir überhaupt zu?«
    »Was sagst du?« Sie wandte den Kopf und sah den Mann, mit dem sie seit zehn Jahren verheiratet war, prüfend an. Er sah besser aus denn je. »Hast du Sport getrieben, Henry?«
    »Sport?« Er nestelte nervös an seinem Hemdkragen. »Unsinn! Wie kommst du denn auf so was?«
    »Du siehst blendend aus, richtig gesund, irgendwie jünger.«
    Er war vor einem knappen Jahr vierzig geworden, aber er wirkte nicht viel älter als sie selbst, und sie war einunddreißig. Obwohl erimmer auf eine gepflegte Erscheinung geachtet hatte, war er noch sorgfältiger gekleidet als sonst. Außerdem konnte sie riechen, dass er sein bestes Rasierwasser benutzt hatte.
    Jacqueline konnte sich sehr gut an den vierzigsten Geburtstag ihres Mannes erinnern, weil er Henry in eine Art Krise gestürzt hatte, die sich unter anderem in einem starken Wunsch nach Veränderung geäußert hatte. Das könne doch nicht alles gewesen sein, hatte er gesagt, es müsse doch noch mehr im Leben geben, es sei höchste Zeit, etwas Neues anzufangen. Nicht lange danach hatten sie den Entschluss gefasst, nach Australien auszuwandern.
    »Im Gegensatz zu mir bist du auf See offenbar richtiggehend aufgeblüht«, bemerkte Jacqueline und versuchte, sich ihren Neid nicht anmerken zu lassen. Sie hatte das Gefühl, in den letzten Wochen um zehn Jahre gealtert zu sein. Befangen kramte sie ihre Sonnenbrille hervor und setzte sie auf, damit man ihre müden Augen nicht sah.
    Henry, der von heftigen Schuldgefühlen geplagt wurde, machte den Mund auf, um zu protestieren, klappte ihn dann aber wieder zu und schwieg.
    »Kein Wunder, dass sich Frauen, die halb so alt sind wie du, für dich interessieren«, neckte sie ihn. »Du bist der attraktivste Mann auf diesem Schiff, und du bist praktisch wochenlang allein gewesen.« Genau wie sie selbst. Sie hatte sich manches Mal sehr einsam gefühlt, aber sie machte Henry keinen Vorwurf deswegen. Sie konnte ja nicht erwarten, dass er die ganze Zeit bei ihr in der Kabine saß und ihr Gesellschaft leistete. Das wäre egoistisch. »Ein Glück, dass ich dir vertrauen kann und dich nicht ständig im Auge behalten muss.«
    Sie scherzte nur, aber Henry fühlte sich höchst unbehaglich. »Lass uns nach unten gehen, Jacqueline, ich muss unbedingt mit dir reden.« Er hasste sich für das, was er ihr antun würde, aber er konnte nicht länger mit dieser Lüge leben.
    »Nach unten? Ich denke gar nicht daran! Es wäre mir völlig egal, wenn ich diese Kabine nie wieder von innen zu sehenbrauchte. Weißt du, was? Ich glaube, ich werde heute Nacht an Deck schlafen. Warm genug ist es.«
    Obwohl es erst Morgen war, war es tatsächlich schon recht warm. Seit sie den Äquator überquert hatten, herrschte in den Kabinen bereits um die Mittagszeit eine unerträgliche Hitze, nachts war es nicht viel besser. Jacquelines Beschwerden wegen der unzureichenden Klimaanlage waren auf taube Ohren gestoßen, und das Lüftchen, das durch das Bullauge hereinwehte, reichte bei weitem nicht zur Kühlung aus. Sie konnte es Henry nicht übel nehmen, dass er die meiste Zeit oben an Deck verbracht und nachts manchmal sogar in einem Liegestuhl geschlafen hatte.
    »Jacqueline, bitte!«, sagte Henry beschwörend. Er konnte diese Unterhaltung nicht noch länger hinausschieben, er hatte ohnehin bis zur letzten Minute damit gewartet.
    Jacqueline musterte ihn irritiert. Er hörte sich so furchtbar ernst an. Andererseits neigte er dazu, die Dinge zu dramatisieren. »Wir können uns doch hier unterhalten, Henry. Die frische Luft und der Sonnenschein tun mir so unendlich gut!«
    »Nein, Liebes, wir müssen unter vier Augen miteinander reden.« Henry fasste seine Frau bei der Hand und steuerte auf einen Niedergang zu. Er
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