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Lesereise Nordfriesische Inseln

Lesereise Nordfriesische Inseln

Titel: Lesereise Nordfriesische Inseln
Autoren: Kristine von Soden
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schaltet im Zimmer Satelliten- TV an oder geht ins Internet mit WLAN und Datenkabel, »damit Sie auch im Urlaub jederzeit online sein können«. Will man das auf einer Hallig?
    Viele Stammgäste fragen als Erstes, sobald sie wieder auf Langeneß sind, ob noch alles beim Alten sei. Womit sie meinen: Feriengäste wie Einwohner (bloß nicht »Insulaner« sagen!) decken ihren täglichen Bedarf an Brot und Butter, Milch und Käse beim »Halligkaufmann« auf der Hunkenswarft; Sonderwünsche vom Festland bestellt man morgens für den nächsten Tag. Geldautomat? Gibt es auf Langeneß nach wie vor nicht. Tankstelle? Gibt es auch nicht, obwohl an jeder Warft mindestens ein Auto parkt. Wer Sprit braucht, setzt zum Festland über oder zapft seinen Reservekanister an. Langeneß hat auch keine Apotheke, keinen Arzt. In Notfällen ist auf Hubschrauber Verlass. Und Schwangere, die eine Hausgeburt vermeiden wollen (Halligkinder kommen gern bei Flut!), packen rechtzeitig ihren Koffer für eine Klinik in Niebüll oder Husum. Polizei? Nicht nötig. Falls mal was sein sollte, »is aber nie wat«, schippert der »Sheriff von Amrum« rüber. Briefkasten? Wird tidenabhängig geleert. Dazu pfeift und trillert schrill der Austernfischer, auf Langeneß der »Halligstorch«.
    Bis zum Aufstieg des Fremdenverkehrs wurde auf den Halligen mit Torfabbau, Vieh und Landwirtschaft der Lebensunterhalt verdient. Und natürlich mit Krabbenfang. In voller Montur standen da die Halligfrauen mit der Gliep , eine Art Kescher, im ablaufenden Nordseestrom. In schweren Eimerjochen schleppten sie die Porren , so heißen Krabben auf den Halligen, zu ihrer Warft. Wilhelm Dreesen, der 1865 in Flensburg eine »photographische Anstalt« besaß und Initiator der Künstlerkolonie in Ekensund an der Flensburger Förde war, lichtete viele Arbeitsszenen auf den Halligen ab, besonders vom Krabbenfang. Wer ins Halligmeer reist, unbedingt probieren: die Porrenpann , ein Frikassee aus Krabben, Butter, reichlich Milch und frischer Sahne, gewürzt mit Zitronensaft, abgeschmeckt mit Salz und weißem Pfeffer, überstreut mit Petersilie, dazu Pellkartoffeln – ein halligtypisches Gedicht!
    Eine kuriose Besonderheit bietet schließlich der Langenesser »Lorenbahnhof«. Seit über achtzig Jahren rattern die einst unter Segeln flatternden »Schiffe« über den eisernen Schienenstrang von der Hallig durch die Nordsee nach Dagebüll. Prominentester Lorenlotse weit übers NDR -Sendegebiet hinaus ist Fiede Nissen, der Langenesser Halligpostschiffer. Tagtäglich braust er über den Lorendamm, außer bei Seenebel und Windstärken über sechs. »Störtebeker« ist sein inzwischen drittes »Schiff«, das er aus einem Seenotrettungsboot mit gelbem Postwimpel am Mast ummontiert hat. Der Motor mit acht PS trieb früher einen Rasenmäher an. Jeder auf Langeneß bastelt sich seine eigene Lore. Dem technischen Einfallsreichtum sind keine Grenzen gesetzt, solange ein Mindeststandard an Verkehrssicherheit eingehalten wird: Bremse, Licht, stabiler Sitz. Und alle zwei Jahre müssen die Loren zum TÜV .
    Zehn Kilometer zieht sich der Damm von Langeneß bis zum Festland. Auf den Stützpfeilern kleben Seepocken, Muscheln, Tang. Nieten halten jeweils zwei Gleisstücke zusammen. Auf etwa halber Strecke im Wattenmeer liegt Oland mit dreiundzwanzig Einwohnern, sieben Katzen und drei Hunden. Die Hallig ist stolz auf ihren Leuchtturm, als Einziger an der Nordsee hat er ein reetgedecktes Dach. Und in ihrer Kirche, die der Flut von 1825 trotzte, setzten die Oländer durch, dass ausschließlich in Dur gesungen wird. Moll erlebten sie schon genug. Auf der Festlandseite des Lorendamms warnt ein vergnügtes Schild: Füchse verboten! Ob das die Räuber interessiert? Sie könnten, wenn sie wollten, über den Damm nach Oland marschieren und Hühner stehlen …
    In der Saison läuft die » MS Rungholt« die gerade mal zwei Quadratkilometer große Hallig an. Sonst nur »Fiede« mit Briefen und Paketen. Hat er nur eine einzige Postkarte dabei, fragt er über Funk, ob er den Text nicht einfach vorlesen könne. Seit über dreißig Jahren holt der vollbärtige blonde Nordfriese in Schlüttsiel die seewasserfesten Postkisten für seine Halligtour ab.
    Barfuß läuft Postkollege Knud Knudsen von Pellworm zweimal wöchentlich zur Hallig Süderoog: sieben Kilometer hin, sieben Kilometer zurück. Mit nacktem Oberkörper in ausgefransten Shorts, den gelben Postsack lässig über die Schulter geworfen. Nur zwei Erdenbürger, Gudrun
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