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Lesereise Kulinarium - Spanien

Lesereise Kulinarium - Spanien

Titel: Lesereise Kulinarium - Spanien
Autoren: Dorothea Loecker , Alexander Potyka
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Gelüste befriedigend.
    Sevilla ist seit dem Mittelalter berühmt für seine ausgefallene Küche, und in den Herrschaftshäusern von Kairo und Damaskus raunte man sich damals bewundernd zu: »Wer in Sevilla Vogelmilch bestellt, bekommt sie auch.« In der Tat sind der Kreativität der Köche keine Grenzen gesetzt. Da die Sevillanos die kleine Mahlzeit zu einem Glas Wein oder Bier zum Hauptgang am Abend erhoben haben, müssen sich die Sevillaner Köche ständig neue Kreationen ausdenken. Denn schließlich liebt ihre Kundschaft den außergewöhnlichen Genuss und die Sinnenfreude. Dabei kann eine tapa aus allem zubereitet werden, was die Küche hergibt. Sie kann gleichermaßen aus Oliven wie aus Entenbrust mit Himbeersoße oder einem Stück mariniertem Hundshai bestehen.
    Die Küche des südwestlichen Andalusien lebt von den Produkten der Region. Olivenöl, Knoblauch und Wein sind die Grundbestandteile fast jedes Gerichts. Hinzu kommen die Gemüsesorten der Saison: Tomaten, Paprika, Artischocken, Bohnen, Sellerie, Mangold, Spinat, wilder Spargel, Pilze. An der langen Atlantikküste kommen von gebackenen Sardellen über Seezungen und Goldbrassen bis zum Katzenhai Fische jeder Größe und Art auf den Tisch. Krabben, Langusten, Muscheln oder Hummer fehlen bei keinem vollständigen und sich über Stunden hinziehenden Menü. Auch kleine und im Ganzen gebratene Tintenfische, Strandschnecken und Garnelen regen in geringen Portionen den Appetit vor dem Hauptgericht an, zu dem in Andalusien häufig ein kalter Fino oder eine leichte Manzanilla getrunken werden.
    Wenige Kilometer von der Küste entfernt bereichern zudem Geflügel, Wild, Rind und Schwein die Speisenfolge. Im Landesinneren gibt es kaum ein essbares Tier, mit dem die genussfreudigen Andalusier nicht mindestens ein Gericht zu kochen wüssten. Wild lebende Fasane und Rebhühner, Kaninchen und Wildschwein, Truthahn, Lamm, Huhn und natürlich das Rind gehören auf die Speisekarte jedes guten Restaurants.
    Wörtlich übersetzt heißt tapa nichts anderes als Deckel, und ihr Ursprung liegt wie bei so vielen Genüssen im Dunkeln. Die einen behaupten, dass in früheren Zeiten ein Stück Brot das in der Bar getrunkene Glas Wein abdeckte und so vor Fliegen schützte. Andere meinen zu wissen, dass die zum Wein gereichte Kleinigkeit den nüchternen Magen abdecken sollte und den Trinker vor den Folgen des Alkohols bewahren sollte. Wahrscheinlich jedoch ist, dass die Andalusier in früheren Zeiten nicht mehr zu essen hatten als eine tapa . Einen Deckel für den knurrenden Magen.
    » Tapas sind die Demokratisierung des Luxus«, sagt Domingo Valenciano, Gourmet und Restaurantkritiker, und hält mit gespreizten Fingern eine Garnele hoch. Denn ob Unternehmer oder Arbeiter, Gräfin oder Putzfrau – den delikaten Geschmack einer frischen Garnele aus Sanlúcar de Barrameda an der nahen Atlantikküste können sich alle leisten. Die einen werden einen prallen Teller davon verspeisen, die anderen nur zwei oder drei Stück. Der Genuss jedoch ist unteilbar. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass sie an derselben Theke lehnen. Die besten und frischesten Meerestiere werden in Andalusien nicht unbedingt nur an weiß gedeckten Tischen serviert, sondern ebenso an den hölzernen Tresen in den Fischerkneipen am Hafen.
    Um die Demokratie möglichst ausgiebig zu genießen, drängt Domingo zum Aufbruch aus der Giralda. Denn zum tapear gehört auch, dass mehrere Bars und Restaurants besucht werden. In der Altstadt von Sevilla müssen Hungrige nicht lange laufen, um fündig zu werden. Doch wer etwas ganz Besonderes sucht, geht quer durch die Stadt in den Stadtteil rund um die Alameda de Hércules. Auf dem ungepflasterten Platz, der seinen Namen den ringsum stehenden Pappeln verdankt, versuchen am Abend die Prostituierten ihr Glück bei den Passanten, die sich tagsüber kaum in diese Gegend verirren würden. Junge gitanos und nachgewachsene Hippies wärmen sich an kleinen Feuern und reichen Zigaretten und Bierflaschen weiter. Seit Mitte der neunziger Jahre kommen wieder die bürgerlichen Berufe in die Alameda. Journalisten, Beamte, Künstler, Universitätsdozenten haben das »zum Schweigen gebrachte Viertel«, wie die Alameda genannt wird, entdeckt. Denn über Jahrzehnte waren die gut Verdienenden aus der Stadt gezogen und überließen La Alameda den Handwerkern, Händlern und Halbseidenen. Sie haben das Ambiente geschaffen, in dem Künstler ihre Ateliers haben, die Schwulen und Lesben Bars betreiben und
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