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Lesereise Kulinarium - Spanien

Lesereise Kulinarium - Spanien

Titel: Lesereise Kulinarium - Spanien
Autoren: Dorothea Loecker , Alexander Potyka
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(1908) hätten indessen keinen höheren Anspruch gehabt als den, dem ein Buchtitel von Josep Pla lakonisch Ausdruck gibt: »El que hem menjat« (Was wir gegessen haben, 1980): reine Bestandsaufnahmen, die »nie als Haute Cuisine codifiziert wurden«. Daher vielleicht die Unbekümmertheit, mit der Adrià und Konsorten heute Techniken und Ingredienzen durcheinanderwirbeln, mit Texturen zaubern, die tortilla dekonstruieren, Rauch und Meerwasser in Schäume verwandeln: an keinen Kanon gebunden, unter dessen Last hingegen, vermutet Puig, die französische Küche zu keinem wirklichen Aufbruch mehr fähig war – von der Nouvelle Cuisine abgesehen. Und neu an dieser sei im Grunde eben die Verwandlung zuvor anonymer Bediensteter in Geschäftsleute, in »Promis« gewesen. Im globalen Dorf ist Escoffier heute, bei allem Respekt, nur noch eine Anekdote.
    Gleichwohl bleibe Frankreich, fügt er sogleich hinzu, allein durch das Prestige seiner Produkte – »des Champagners, der Gänseleber …« – noch auf lange Sicht die Referenz. Wer wüsste dies besser als er, der einst »lernbegierig und voller Ehrfurcht« das Nachbarland bereiste, gerade weil er als Sohn eines Trüffelhändlers erfahren hatte, wie relativ der Wert jeder Materie ist. Mit Trüffeln zu handeln hieß im damaligen Spanien, sie nach Frankreich oder Italien zu exportieren, wo sie als Eigengewächs vermarktet oder reexportiert wurden – genauso wie spanische Oliven tonnenweise zu italienischem Öl veredelt wurden. »Noch heute finden Sie in Feinkostgeschäften rund um die Welt neben zehn italienischen Ölen allenfalls zwei spanische. – Immerhin! …«, resümiert Puig die Verfeinerung spanischer Vermarktungs- wie Produktionstechniken. Und verfeinert hat sich gewiss auch der Geschmack eines Teils der Bevölkerung.
    Im Restaurant Drolma zu Tisch gebeten, wählte ich als Vorspeise espardenyes . Heute fast unbezahlbar, wurde diese Molluske noch in Puigs Jugend »von katalanischen Fischern höchstens als Köder für gut befunden«. Natürlich wächst das Prestige eines Produkts mit seiner Seltenheit. Zuchtlachs ist das Brathähnchen des 21. Jahrhunderts – und bleibt roh genossen doch eine Delikatesse. Wer den espardenyes eine Sardine vorzieht, ist deswegen kein Banause. Allein die Diskrepanz zwischen ihrem Marktwert und den einem Luxusrestaurant geziemenden Preisen hält Puig davon ab, Sardinen im Drolma auf die Karte zu setzen. Wie andere Spitzenköche wird daher auch er in Barcelona demnächst eine Tapas -Bar eröffnen. Denn in solchen »Miniaturküchen« ließen sich zwei gastronomische Konzepte ideal verbinden: die althergebrachte spanische Tapas -Kultur und ihr verspielter Abkömmling, die neue katalanischen Küche. Typisch für diese ist ohnehin ein Stakkato kleiner Portionen: aparter angerichtet als drei Scheibchen Chorizo auf einer zerkratzten Untertasse, im Grunde jedoch – wie raffiniert auch immer zubereitet – ganz dem Geschmack und der Qualität der Grundprodukte geweiht.
    Markus Jakob

Nachweis
    Die hier versammelten Texte sind überwiegend aus Bänden der Reihe Picus Lesereisen entnommen:
    Peter Burghardts Beitrag Edelsteine aus dem Schweineparadies aus Die Metropole der langen Nächte. Madrider Eigenheiten;
    Claudia Diemars Beitrag Mehlpampe und alte Wäsche aus dem Band Lesereise Kanarische Inseln. Archipel der Glückseligkeiten; der Beitrag Die Löcher sind im Berg und nicht im Käse aus Der Apostel und die silberne Artischocke. Legenden aus Spaniens Norden , der Beitrag »Infusíon« und Brandy aus Spaniens magische Mitte. Kastilische Kantaten . Die Beiträge Ein Königreich für die Erdmandel , Der Geschmack von Bergen und Meer , Die Insel des guten Geschmacks , Rotes Gold im Land des Don Quijote sind Originalbeiträge für diesen Band ;
    Ulrike Fokkens Beiträge Gemahlen und geschleudert , Das System der vier Fässer sowie »Tapas« und Demokratie aus Der Sherry, el Toro und die Erdbeerpflücker. Südspanische Siestas ;
    Georges Hausemers Beiträge Wie kommt das Salz aus der Erde? , Gilda wird jeden Tag vernascht aus Lesereise Baskenland. Die kochenden Kerle von der Muschelbucht . Der Beitrag »Churros« mit Julio aus Im Land der Mauren und Olivenhaine. Andalusische Streifzüge , der Beitrag Andalusisches Eis ist ein Originalbeitrag für diesen Band;
    Markus Jakobs Beiträge Bläschen, die die Welt bedeuten , Die Ministerin, der Feinschmecker und der Anisakis sowie Kann denn Kochen Kunst sein? sind Originalbeiträge für diesen Band;
    Helge
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