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Lesereise - Israel

Lesereise - Israel

Titel: Lesereise - Israel
Autoren: Gil Yaron
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»Manchmal machen arabische Männer ausländische Frauen an, weil die hier als Freiwild gelten. Haltet euch nirgends allein auf.« Skandalöse Berichte von solidarischen Frauen, die von arabischen Männern belästigt werden, schaden dem positiven Image der Proteste und werden von Aktivisten wie Palästinensern lieber vertuscht.
    Israelische und internationale Anarchisten und Gegner der Besatzung treffen sich im Vorhof von Abdallah Abu Rahma, einem der Erfinder der wöchentlichen Proteste. Lange diente sein Haus als Herberge für Aktivisten aus aller Welt. Jetzt sitzt er seit Monaten in administrativer Haft. Er hatte die leeren Tränengaskanister hinter dem Zaun gesammelt und daheim ausgestellt. Die Armee warf ihm daraufhin illegalen Waffenbesitz vor. »Ich bin gegen Grenzen und Zäune, egal wo«, sagt der Rentner Ilan Schalif aus Tel Aviv, der im Vorhof darauf wartet, dass die Demo beginnt. Jeden Freitag kommt er zuerst nach Bilin und zieht nachmittags nach Ostjerusalem, wo er weiter gegen die israelische Siedlungspolitik demonstriert. Er wird von Tamar Selby begleitet, einer sechzig Jahre alten Israelin aus Tel Aviv. Selbst unter den Besatzungsgegnern ist Selbys Meinung umstritten: »Die Besatzung ist wie Vergewaltigung. Die Palästinenser haben das Recht, alles dagegen zu unternehmen.« Das beinhalte, laut Selby, auch Selbstmordattentate gegen israelische Frauen, Kinder und Jugendliche: »Schließlich werden die ja eines Tages Soldaten, also sind sie legitime Ziele.«
    Uri Ben Schlomo widerspricht. Der siebenunddreißig Jahre alte Schmied ist jede Woche zur Demo in Bilin, leistet aber trotzdem seinen Reservedienst bei den Fallschirmjägern ab. »Ich will eines Tages in Frieden leben. Dafür müssen wir den Palästinensern zeigen, dass wir sie und ihre Rechte respektieren. Gleichzeitig müssen wir uns aber auch vor den Extremisten auf der anderen Seite verteidigen«, sagt Uri. Ihn treibt eine Mischung aus Ideologie und Abenteuerlust. Bei der Demo gegen den Grenzzaun ist er ganz vorn mit dabei, wie im Krieg gegen die Hisbollah im Libanon im Jahr 2006.
    Inzwischen hat die Demonstration begonnen. Israelis und Palästinenser marschieren Seite an Seite durch die Felder zum Zaun, wo eine Handvoll Soldaten sie erwartet. Roi bleibt mit seinem roten Erste-Hilfe-Rucksack hinten, zwei israelische Studentinnen laufen mit palästinensischen Jugendlichen ganz nach vorn. Kurze Zeit später löst die Armee die Demonstration mit Tränengas auf. Langsam zieht sich die hustende, tränende Menschenmenge zurück. Als der Großteil der Demonstranten die Dorfgrenze erreicht, fallen mehrere Kanister Tränengas in die Menge der Rentner, Studenten, Großmütter und Aktivisten. Ein Geruch von Schießpulver macht sich breit, die Augen beginnen zu jucken. Kurz danach brennt der Rachen, als hätte man eine Überdosis Pfeffer verschluckt: Die Menschen prusten und spucken. Ihre Augen tränen, die Nase läuft, bei den Unerfahrenen bricht Panikstimmung aus. Kaum einer erinnert sich noch an Rois Ratschlag, viele beginnen zu rennen.
    Im Dorfkern stellt sich heraus, dass zwei israelische Studentinnen von Soldaten verhaftet wurden. Ihre Freundin ist in Panik, Roi beruhigt. Nicht selten gehen die Soldaten, die vorher Hagel von Steinen über sich ergehen lassen mussten, ruppig mit den Inhaftierten um und halten sie stundenlang fest. »Unsere Anwälte werden sich um euch kümmern. Keine Panik, die haben bereits viel Erfahrung damit«, sagt Roi. Gemeinsam raucht man eine Zigarette und atmet die Reste von Tränengas aus, dann spaltet sich die Gruppe auf: Die Hälfte der Aktivisten fährt zur nächsten Demo in Jerusalem oder andernorts, die Übrigen fahren zurück nach Tel Aviv. Sie wollen sich ausruhen, bevor es abends in die Disko geht. Nächste Woche sieht man sich wieder, auf der Demo.

Sommer in Israel
Israels heißeste Jahreszeit ist besonders für europäische Besucher gewöhnungsbedürftig
    Man merkt es direkt nach der Landung. Auf dem Weg ins klimatisierte Flughafengebäude muss jeder diese »Wetterklagemauer« durchbrechen, eine massive Front stehender, heißer, feuchter Luft in der Fluggastbrücke. Der Pfad zum kühlen Paradies im Terminal führt durch das Klima eines überladenen Wäschetrockners. Beim ersten Besuch in Israel bleibt Bewohnern gemäßigter Breitengrade anfangs die Luft weg. Selbst leichte Kleidung haftet an der Haut, die sich umgehend mit einer ebenso dünnen wie klebrigen Schweißschicht bedeckt, und gibt nach kurzer Zeit mit
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