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Lesereise - Afrika

Lesereise - Afrika

Titel: Lesereise - Afrika
Autoren: Andreas Altmann
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den Ventilator ausfällt, dann backen, dann zurück zur Dusche. Und an die Tapete denken, die hinter der Rezeption hing: Sechs Quadratmeter groß der helle kühle Königssee, beschützt von dunklen kühlen Bäumen. Und zuletzt mich leise fragen: Warum mache ich das? Kann man nicht auf intelligentere, elegantere Weise Erfahrungen horten? Und zuallerletzt die Erinnerung an einen Satz von Woody Allen: »I am sick of experience.« Nicht horten, aber: Neu anfangen! Sprich, nicht irritiert, nicht geprellt von früheren Wahrnehmungen erblinden.
    Am nächsten Morgen durch die umtriebige Stadt wandern. Von der schönen Corniche aus, der Straße entlang dem Nil, sehe ich lauthals quietschende Ägypterinnen sich auf Tretbooten vergnügen. Den hübschen Kopf frei, der Körper ordnungsgemäß unter einem langen Umhang verdeckt. Sobald das Knie durch die heftigen Bewegungen der Beine zum Vorschein kommt, wird es unverzüglich wieder verdeckt. Mir wird klar, dass das Knie ein erotischer Körperteil ist.
    Ich gehe hinunter an den Anlegesteg. Als zwei der Hübschen zurückkommen, lächle ich sie an. Wie ein Gentleman, nicht drängend, nichts fordernd. Eher sanft, eher leicht. Und sie lächeln zurück. Das wollte ich wissen. Um mich zu vergewissern, dass jeder Aufstand gegen die Spielregeln der Natur – sei er religiös oder ideologisch motiviert – an dem Lächeln zwischen einem Mann und einer Frau zerbrechen wird.
    Ich streune durch den suq . Arabische Märkte haben den Vorteil, dass sich noch kein Kartograf die Mühe gemacht hat, einen Plan für sie zu erstellen. Man verliert sich, garantiert. Und wenn man Glück hat, findet man Samir, den Fotografen, in seinem besenkammerwinzigen Fotoladen. Da ich weiß bin, hält er mich umgehend für einen »Christenmenschen«. Ja, sage ich, ich will ihn provozieren, will wissen, was er sich ausgedacht hat, um mich Ungläubigen zu züchtigen. Ich tue das augenblicklich ohne jeden boshaften Hintergedanken, ich will mich amüsieren. Alle, die für alle Ewigkeit jede neue Einsicht als Versuchung aus der Hölle verstehen, halte ich für gefährlich. Und – an den leichten Tagen wie heute – für unglaublich witzig.
    Ich liege falsch, Samir ist ebenfalls Christenmensch. Dennoch, wir beide scheitern. Nicht, weil Kunden sich hereinzwängen, darunter ein General, der sein tadellos gebügeltes Hemd auspackt, es anlegt, die Uniformjacke drüberstreift und sich imponierend vor der Tapete mit Staatspräsident Mubarak in Stellung bringt. Andere Hindernisse warten. Ich versuche, die wilde Story von Magdi zu verifizieren, will von ihm wissen, ob christliche Hochzeitsnächte tatsächlich so rabiat ablaufen. Ob Christenmänner tatsächlich so verzweifelt nach Blut fahnden, um die Jungfernschaft der Christenjungfrau zu bezeugen. Aber wir beide kommen nicht weiter, linguistische Barrikaden halten uns auf. Hier ein Auszug aus einem Gespräch mit gehörigen Missverständnissen, ich beginne:
    »Let’s say, two Egyptian christians want to get married.«
    »You want marry Egyptian girl?«
    »No, let me repeat, two Egyptians want to get married.«
    »Ah, too many people want marry?«
    »No, let me explain more carefully: two – one and one – people here in Egypt want to marry.«
    »I see, I see. One wife of one people marry boy of second people?«
    Frohen Mutes gehen wir auseinander. Zudem bin ich dankbar, irgendwann während unseres Kauderwelschs hat mir Samir das Wort »mini-men« geschenkt. So nennt er die armen Teufel in seinem Land. Viele Mini-Men gebe es.
    Tahar kreuzt meinen Weg. Das heißt, er kommt mir mit seinem von Wüstenhitze und Jahren ermüdeten Opel Rekord entgegen und ich muss springen. »Some problem«, meint er lakonisch, als ich mich von hinten seinem Vehikel nähere, das zehn Meter weiter weg zum Stehen kommt. Die Bremsbeläge seien fällig. Unter anderem. Tahar wurde kürzlich ausgemustert, wegen Schwindsucht. Sagt er. Nun arbeite er als Taxifahrer. Als ich neben ihm stehe, wird klar, dass auch die Türgriffe, drei Fensterscheiben und – wie nervenschonend – die Hupe fällig wären. Alle abwesend. Ich bin ein schlechter Mensch und denke, dass Fahrer und Wagen irgendwie zusammenpassen.
    Aber Tahar ist ein patenter Kerl, er meint – wieder so angenehm trocken –, ob er mich nicht zu einem »secret house« bringen soll. Geheime Häuser sind in diesem Land jene Gebäude, die jeder kennt: Puffs, schmuddelige Absteigen, in denen schuldbeladene Damen schuldbeladenen Männern hastig
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