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Lesebuch für Katzenfreunde

Lesebuch für Katzenfreunde

Titel: Lesebuch für Katzenfreunde
Autoren: diverse Autoren
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tun hatte.
    Nachdem alle Spiele gespielt waren, Bällchenwerfen, Verstecken, Anspringen und Raufen, war Bartl endlich müde und ließ sich auf den Teppich fallen. Dann machte sich Mama, die viel zuviel Zeit mit ihm vertrödelt hatte, an die Arbeit. Aber Bartl mochte nicht, daß sie aus dem Zimmer ging, und lief kläglich miauend hinter ihr her. So legte sie ihn sich um den Hals, um endlich vor ihm Ruhe zu haben. Dieser Platz gefiel Bartl sehr gut, und er verbrachte höchst lehrreiche und vergnügte Stunden dort oben. Er lernte, sich festzuhalten, und Mama konnte mit ihrer leichten Last auf dem Nacken fast alle Hausarbeiten verrichten: Aufräumen, Staubwischen und Kochen. Sie erzählte ihm, was ihr gerade einfiel, und wenn sie gut gelaunt war, sang sie auch ein wenig. Bartl verstand kein Wort, aber er hatte es gern, wenn man sich mit ihm unterhielt, und er schnurrte dazu auf Mamas Nacken. Mit der Zeit kam Mama dahinter, daß er traurige, getragene Lieder am meisten liebte, wohl weil ihm hohe Töne in den Ohren weh taten. Je trauriger Mama sang, desto vergnügter wurde Bartl. Wenn er lange Zeit auf Mamas Nacken verbracht hatte, wurde er angenehm schläfrig. Auf und nieder gewiegt wie in einem Boot auf dem Meer, döste er vor sich hin und spitzte nur die Ohren, wenn sein Name fiel.
    Einige Menschenworte lernte er sehr bald verstehen: Milch, Fleisch, schlafen, Mama und Papa und Bartl brav. Eigentlich war er gelehriger als die Menschen, die nur erraten konnten, was seine Ausrufe in der Katzensprache bedeuten sollten. Am besten verstand er aber seinen Namen, und er konnte ihn gar nicht oft genug hören. Wenn im Gespräch zufällig die Rede auf ihn kam, spitzte er sofort die Ohren, streckte die kleine, rotbraune Nase in die Luft und preßte vor Behagen die Augen zu. Da die ganze Familie ihm schöntat und jeder ihn verwöhnte, bildete er sich bald ein, außerordentlich wichtig zu sein, und er wurde ein wenig größenwahnsinnig.
    Erst viel später kam er dahinter, daß es auch noch andere Menschen gab und daß nicht alle Menschen gut und freundlich waren. Das sollte für sein kleines Katzenhirn noch sehr verwirrend werden.
    Erst nachdem er schreckliche Dinge erlebt hatte und nur mit Mühe und Not dem Tod entgangen war, fand er sich damit ab, daß er einzig und allein seinen Menschen vertrauen durfte, niemals einem Fremden.
    Aber davon ahnte der glückliche kleine Kater noch nichts. Vorläufig sah die Welt noch recht rosig für ihn aus, wenn es auch in der Wohnung Dinge gab, die ihn manchmal beunruhigten. Da war zunächst der Spiegel, in dem immer, wenn er vorbeiging, eine kleine Tigerkatze saß und ihn anfauchte. Diese Katze machte ihm viel Kopfzerbrechen. Nachdem er ein paarmal versucht hatte, den frechen Eindringling hinter dem Spiegel zu suchen, ihn aber nicht hatte finden können, beschloß er, ihn nicht mehr zu beachten. Die Sache war entschieden unheimlich: eine Katze, die nach nichts roch, deren Pfoten sich eiskalt anfühlten und deren Hauch er nicht spüren konnte.
    Es war besser, dieses Geschöpf zu vergessen und den Kopf zur Seite zu drehen, wenn er am Spiegel vorbeiging. Außerdem hatte er bemerkt, daß die Buben ihn auslachten, wenn er der Spiegelkatze die Zähne zeigte. Alle Katzen hassen es, ausgelacht zu werden. Bartl war so gekränkt, daß er sich hinter den Ofen setzte und stundenlang kein Wort mit den Buben redete.
    Die Spiegelkatze hatte er also bald durchschaut, aber da gab es viel unangenehmere Dinge wie das Telefon, die Türglocke, den Staubsauger und das Radio. An sie konnte er sich nie gewöhnen. »Ich weiß nicht, warum er so nervös ist«, sagte Papa, als er sah, daß Bartl bei jedem Geräusch zusammenzuckte, »wir werden ihm Lebertran geben müssen.« Bartl spuckte die Medizin aus, denn Lebertran schmeckt auch für kleine Katzen scheußlich. Es hätte ihm ohnedies nichts genützt. Er war kerngesund, nur waren seine Ohren sehr empfindlich geschaffen für die leisen Geräusche in der Natur, die ein Mensch gar nicht mehr hören kann. Der Lärm, den die Maschinen machten, tat Bartl im Kopf weh und zwang ihn, blindlings die Flucht zu ergreifen. Zitternd und mit pochendem Herzen saß er dann in einem ruhigen Winkel und wartete, bis der Schmerz in seinen Ohren abklang.
    Die Menschen waren eben lärmende und tolpatschige Geschöpfe im Vergleich zu einer Katze, und das Schlimme daran war, daß sie es nicht einmal wußten. So gerne Bartl mit der Zeit seine Menschen hatte, an ihre laute Art konnte er sich nie
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