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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried
Autoren: Exerzierplatz
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Ich sage kein einziges Wort, gib nur acht auf den Tee, auf die geriebenen Äpfel. Wie gut ihr die Strenge gelingt. Behutsamer kann niemand ein Tablett tragen, nichts klimpert und klirrt da oder kommt ins Rutschen. Wenn du wüßtest, was ich jetzt tun werde, auch ich habe meinen Auftrag von ihm, den geheimsten, der sich denken läßt, bestimmt würde er keinen andern damit betrauen, einfach, weil er sich auf keinen so verläßt wie auf mich.
    Weg mit den Krügen, tiefer hinein das Band, es macht nichts, wenn es geknüllt und beschwert wird mit den passenden Zementbrocken; seine heimliche Reserve soll niemand entdecken, nur er und ich wissen, daß es sie gibt, verwahrt in Ölpapier, das vor der Feuchtigkeit schützt. Vielleicht wird er mich eines Tages beauftragen, unbemerkt etwas aus seinem Versteck zu holen, Geld oder Dokumente oder was er gerade braucht, er wird mir dann nichts groß beschreiben müssen, ein Wink wird genügen, und ich werde wissen, wo ich es finde. Gegen uns beide, Bruno, da kommt keiner an; das hat er einmal gesagt, aber das hat er auch schon einmal zu Dorothea gesagt, damals auf dem Kollerhof, als wir anfingen und alle an dem einzigen alten Tisch saßen, den wir hatten. Ohne Traurigkeit kann ich kaum noch an ihn denken.
    Freude, ich werde ihm eine Freude machen, nicht morgen, sondern schon heute; ein Geschenk werde ich ihm bringen, und das wird ihn vielleicht an die Zeit erinnern, in der es jeden Tag etwas gab, worüber einer von uns sich freuen konnte. Warum konnte es nicht so bleiben, wie es einmal war, warum verzweigten sich die Wege und brachten uns so weit weg voneinander, ich komme und komme nicht ganz dahinter, bei allem Nachdenken nicht. Alles würde ich tun, alles, wenn ich sie nur zusammenbringen könnte, ihn und Dorothea.
    Eine Schütte ist fast verlesen, die andere kommt morgen dran, wenn er ein Geschenk kriegen soll, dann muß ich jetzt aufhören und hinübergehen nach Hollenhusen, am besten zum Höker Tordsen, der alles führt, was einer sich wünscht. Ich weiß schon, was er nötig hat, über was er sich freuen wird, bestimmt wird er mich ungläubig ansehen und auflachen und mich in die Seite knuffen, das wird er, doch damit er nicht gleich sieht, was es ist, werde ich es verpacken lassen in einem Kästchen, das kann er erst einmal in der Hand wiegen und es ratend hin und her wenden. In den Quartieren ist gewiß Feierabend, keiner wird mich beobachten, also los, bevor Dorothea kommt und ich ihr antworten muß.
    Wie rein die Luft ist, reingewaschen, nicht mehr der erdige Geruch, und diese friedliche Stille in den Spalieren, die nach unserem Plan wachsen. All dieses Land soll ich nach seinem Willen übernehmen, das hat er mir zugedacht: von hier bis zur Senke, dann zum Findling und zur Windschutzhecke hinüber und auch das ganze Stück vom Bahndamm bis zu Lauritzens Wiesen, alles, was nach Norden liegt, soll mir gehören, auf einen Blick kann man es gar nicht übersehen. Er will es so. Er hat es so entschieden. Mir kommt es nicht zu, ihn nach seinen Gründen zu fragen, ich hab immer nur getan, was er von mir verlangte. Aber hier, mitten in den Quartieren, darf ich mir gar nicht vorstellen, daß ich einmal das Sagen haben soll, alles beginnt, sich zu drehen, die Hände werden feucht, die Wörter bleiben wie von selbst weg, und ich seh schon voraus, wie sie von überall grinsend herankommen und überlegen dastehen und darauf warten, daß ich ihnen meine Anweisungen gebe, vielleicht von einer Holzkiste herab, damit ich besser zu sehen bin. Ich will nicht gesehen werden, ich will nicht auffallen, nicht gesehen werden. Warum zittre ich auf einmal so? Eines Abends hat Magda gesagt: Es gibt wohl keinen, Bruno, der sich so beunruhigen kann wie du.
    Eine Flasche Wacholder werde ich ihm kaufen, darüber wird er sich bestimmt freuen; ich kann mir nicht denken, daß ihm einer Geschenke bringt in dieser Zeit. Unser alter Weg zum Kollerhof, der Privatweg, den wir uns erlaufen hatten, ist kaum noch zu erkennen; wenn andere ihn nicht nach uns benutzt hätten, wäre er wohl ganz zugewachsen, und nichts würde mehr daran erinnern, daß wir tausendmal am Wiesenrand entlanggegangen sind. Jetzt geht da nur der Wind herum und plündert das Strohdach und biegt sich die Hecke zurecht. Die Torfwolken, mit denen der Ofen uns anpaffte. Krosse Kartoffeln in der größten Bratpfanne der Welt, und Dorothea gut gelaunt und verbeizt. Und du, Ina, neben mir am Tisch, neben meiner Kammer. Und der Chef sagte: Die
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