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Leitstrahl für Aldebaran

Leitstrahl für Aldebaran

Titel: Leitstrahl für Aldebaran
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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sagte Gemma betont sachlich, »wie schnell die Mäuse jetzt marschieren und ob sie das auch nachts tun.«
    »Richtig«, schaltete sich Toliman ein, »das ist das Wichtigste. Aber besser wäre es, wenn wir noch viel mehr wüßten.
    Hast du nicht wenigstens noch ein paar Annahmen? Und wenn es nur Spekulationen sind? Es wird sich ja dann herausstellen, was davon stimmt oder nicht. Und überhaupt.« Er verstummte.
    »Was überhaupt?« fragte Mira.
    »Ich bin mir über unsere Arbeitsteilung noch nicht klar«, sagte Toliman leise. »Aber laßt erst mal Gemma sprechen.«
    »Ich hab mir natürlich dauernd Gedanken gemacht über diese Tiere«, erklärte Gemma. »Ich stelle mir vor, daß der Zug durch die Täler, die mal enger und mal weiter sind, einen so großen Druck ausübt, daß alle sozialen Beziehungen zwischen ihnen unwirksam werden und nur noch der Zuginstinkt wirkt. Wahrscheinlich sogar stärker als der Freßinstinkt. Hm, und dann noch was. Ich sehe noch die eine Maus auf dem großen Stein sitzen, erinnerst du dich, Toli? Man könnte auf den Gedanken kommen, daß sie einzeln oder auch in kleinen Gruppen Hindernisse überspringen oder umgehen. Auf der andern Seite sagen die beiden Täler und auch die Schlucht und das enge Tal etwas anderes aus. In ihnen gibt es keine Hindernisse mehr, keine kleinen und nur sehr wenig große Steine. Es scheint also, wenn der Zug seine volle Stärke erreicht, werden die Mäuse aggressiv gegen jedes Hindernis.«
    »Das ist aber sehr wichtig!« rief Toliman.
    »Ja, genau«, sagte auch Rigel. »Und deshalb sollte Gemma bei dieser Geschichte die Leitung übernehmen!«
    »Nein, im Gegenteil«, widersprach Toliman, »warte, ich erklär es gleich, mir ist jetzt die notwendige Arbeitsteilung klargeworden. Also Gemma. Gemma ist die wichtigste Person. Da wir so wenig über die Mäuse wissen, müssen wir während des Zuges möglichst viel über sie lernen. Nur Gemma kann sie genau sehen und so schnell Schlußfolgerungen ziehen, wie es nötig ist. Deshalb sollte sie durch nichts davon abgelenkt werden. Gemma wird beobachten, nachdenken und nur im allerschlimmsten Notfall in die Operation eingreifen. Die Technik, die vorbereiteten Maßnahmen, das ist dein Gebiet, Rigel. Ich leite. Mira wird uns versorgen, einspringen, wo es nötig ist, und vor allem das Wichtigste tun, was es sonst noch gibt.« Er lächelte.
    »Und das wäre?« brummte Rigel, der wohl einsah, daß Toliman recht hatte, aber nur ungern seinen Vorschlag fallenließ.
    Mira wußte, was Toliman gemeint hatte. »Darauf achten, ob die ALDEBARAN sich meldet.«
    Am Abend wußten sie, daß die Mäuse das Gebirge fast erreicht hatten. Selbst wenn sie weitermarschieren sollten, und auch, wenn sie das mit erhöhter Geschwindigkeit täten, würde die Spitze nicht vor morgen früh das Schiff erreichen. Sie hatten noch eine Nacht, die ihnen gehörte, in der sie einander gehörten.
    Für Mira und Toliman war es die Sorge um den anderen, die sie dazu brachte, sehr behutsam miteinander umzugehen, so behutsam, daß sie nicht die kleinste Möglichkeit der Steigerung ausließen oder übersprangen, daß jeder beim andern die leiseste Reaktion erhaschte und verstand und auf fast ebenso leise Art belohnte.
    Hinterher waren sie nicht von der üblichen satten Müdigkeit beherrscht, sondern heiter und ausgelassen, als stünde ihnen nicht der vielleicht schwerste Kampf seit der Katastrophe bevor, sondern eine Urlaubsreise in die Flitterwochen. Sie unterhielten sich über Freunde und Bekannte an Bord der ALDEBARAN, über den weiteren Flug, über tausend Dinge - eine grundsätzliche Erklärung war nicht mehr nötig, sie spürten beide, daß die Frage ihrer zukünftigen Beziehungen entschieden war, und dennoch drängte diese Entschiedenheit zum Wort.
    Toliman hielt den Kopf etwas erhoben und sah zu Mira hinüber. Es war nicht so stockfinster wie sonst, die Lämpchen der Funkanlage, die in Betrieb bleiben mußte, warfen einen schwachen, glimmenden Schein in den Raum, die an die Dunkelheit gewöhnten Augen konnten die Umrisse des anderen ahnen.
    Mira beugte sich zu ihm, nahm das Kopfkissen und packte es ihm unter den Kopf.
    »Warum müssen einem alle Frauen fortwährend Kissen unter den Kopf schieben?«
    »Kennst du denn so viele?« wollte Mira wissen.
    Toliman lachte leise. »Genügt es nicht, wenn ich dich kenne?« fragte er.
    »Ja«, antwortete Mira. Und nach einer Weile setzte sie hinzu: »Mir genügt es ja auch, wenn ich dich kenne.«
    So war auch das endlich
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