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Leidenschaft des Augenblicks

Titel: Leidenschaft des Augenblicks
Autoren: Jayne Ann Krentz
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nagelte ihn mit einem durchdringenden Blick fest. »Oder vielleicht nicht?«
    »Doch.«
    Fünf Minuten vor sieben lenkte Hatch seinen nagelneuen silbergrauen Mercedes in eine Parklücke vor Jessies Apartmenthaus am Capitol Hill.
    Er stieg aus und blickte automatisch nach unten, um den Glanz seiner Schuhe zu kontrollieren. Dann rückte er den Knoten seiner dezent gestreiften Krawatte zurecht und strich sein graues Jackett glatt. Mit dem Ergebnis zufrieden, begab er sich zur Eingangstür.
    Bei seiner Kleidung legte Hatch großen Wert auf gediegene Eleganz. Er achtete auf solche Details wie Farbe und Breite der Streifen seiner Krawatten und den Sitz seiner maßgeschneiderten Hemden. Nicht etwa, daß er ein besonderes Interesse an Mode gehabt hätte; er wollte sich nur bei etwas derart Grundlegendem keinen Fehler leisten. Schließlich hing das Ansehen eines Mannes in der Geschäftswelt ganz wesentlich von seinem Auftreten und damit auch seiner Kleidung ab.
    Hatch war in groben Stiefeln, Jeans und Arbeitshemden aufgewachsen. Und obwohl er sich nun schon geraume Zeit mit großem Erfolg in einer anderen gesellschaftlichen Schicht bewegte, war er, was Kleidung anging, extrem vorsichtig. So sehr er sonst seinen Instinkten vertraute - hier ging er lieber auf Nummer Sicher.
    Das meiste, was Hatch über den konservativen Bekleidungsstil erfolgreicher Amerikaner wußte, hatte ihm seine Frau Olivia beigebracht. Für diesen Rat würde er ihr ewig dankbar sein. Doch das war auch alles, was er nach all den Jahren in dankbarer Erinnerung behalten hatte.
    Während er auf den Klingelknopf am Eingang des älteren Backsteinbaus drückte, warf Hatch einen Blick auf seine goldene Armbanduhr.
    Beim Kauf der Uhr hatte er sich zunächst überlegt, ob sie nicht vielleicht etwas zu auffällig wäre. Dieselben Bedenken hatten ihn beim Erwerb des Mercedes geplagt. Doch beide hatten ihm gefallen - und zwar nicht nur, weil sie qualitativ hochwertig, schön und funktionell waren, sondern auch weil sie in gewisser Weise den Erfolg repräsentierten, den Hatch sich erarbeitet hatte. Einen Erfolg, von dem sein Vater, ein erbitterter, jämmerlicher Versager, immer behauptet hatte, er werde ihn nie und nimmer erringen.
    Wenn Hatch, was ausgesprochen selten vorkam, in einer seiner philosophischen Stimmungen war, überlegte er zuweilen, ob er es auf der Karriereleiter vielleicht nur deshalb so weit gebracht hatte, um die Prophezeiung seines Vaters Lügen zu strafen.
    Die goldenen Zeiger der Uhr sagten Hatch, daß er pünktlich war. Nicht, daß ihm das etwas nützen würde. Jessie war nie fertig, wenn Hatch sie abholen kam. Er wußte aus Erfahrung, daß sie jetzt hektisch in ihrer Wohnung herumrannte - ihre Schlüssel suchte, nochmals überprüfte, ob der Herd auch wirklich aus war, der Anrufbeantworter eingeschaltet etc. Alles Erdenkliche, um das Unvermeidbare möglichst lange hinauszuschieben, dachte Hatch und mußte lächeln.
    Endlich ertönte Jessies atemlose Stimme aus der Sprechanlage.
    »Wer ist da?«
    »Hatch.«
    »Oh...«
    »Haben Sie jemand anders erwartet?« erkundigte er sich höflich.
    »Nein, natürlich nicht. Kommen Sie rein.«
    Der Türöffner surrte, und Hatch betrat die Lobby. Er stieg die Treppe in den ersten Stock hinauf und ging den Gang entlang zu Jessies Wohnung. Dort klopfte er leise, und sie öffnete mit einem leicht mißbilligenden Stirnrunzeln die Tür.
    »Sie sind pünktlich«, murmelte sie.
    Hatch ignorierte den vorwurfsvollen Ton. Statt dessen lächelte er anerkennend, als sein Blick über ihr enganliegendes kleines Schwarzes glitt, das ihre schmale Taille betonte und kurz über den Knien endete. »Hallo, Jessie. Sie sehen heute abend wieder ganz hinreißend aus. Wie immer.«
    Und das war nicht gelogen. Andererseits wirkte Jessie, genau genommen, unter allen Umständen anziehend auf ihn. Sie strahlte eine so faszinierend mysteriöse Weiblichkeit aus, daß er bei ihr oft genug an Hexen, Katzen und altägyptische Königinnen dachte.
    Trotz all dieser exotischen Züge stand in Jessies Gesicht sowohl Intelligenz als auch eine tiefe Verwundbarkeit zu lesen. Und beides übte eine starke Anziehungskraft auf Hatch aus. Die Wirkung ihres Intellekts überraschte ihn keineswegs. Er war ein Mann, der intelligente Frauen bevorzugte. Andere mochte er nicht, sie irritierten ihn nur.
    Doch seine Reaktion auf ihre Verletzlichkeit überraschte ihn jedesmal aufs neue. Es war lange her, daß er einer Frau gegenüber so etwas wie Beschützerinstinkt
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