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Leichtes Beben

Leichtes Beben

Titel: Leichtes Beben
Autoren: Peter Henning
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voll. »Oder?«
    »Nein, bestimmt nicht«, antwortete Küppers leise und beobachtete, wie die eisgekühlte Flüssigkeit unendlich langsam in sein Glas rann.
    »Na, also gut, dann will ich mal kein Spielverderber sein«, sagte er und packte das kleine Glas. »Auf den edlen Spender!«

    Kurz nach zwei schloss er seinen Wagen auf. Kraftlos fiel er in den Sitz, zog die Tür zu und schob den Schlüssel ins Zündschloss. Dann ließ er den Kopf nach hinten sinken, schloss die Augen und sagte sich: Ich will mich bloß ein bisschen ausruhen, gleich geht’s los! Doch schon nach wenigen Sekunden war er eingeschlafen.
    Als er gegen halb vier langsam wieder zu sich kam, glaubte er zunächst, das Pochen, das den Wagen sanft erfüllte, dringe aus der Ferne des Traums an sein Ohr. |34| Doch als es nicht nachließ, schlug Küppers die Augen auf und blickte sich um. Draußen stand die Frau aus der Wirtschaft und klopfte gegen die Scheibe, Carola.
    Mühsam ließ er die Scheibe herunter. »Sie?«, sagte er und blinzelte. »Was ist?«
    »Ich dachte, Sie wollten zu Ihrem Sohn?«, sagte sie und beugte sich ein Stück zu ihm herunter.
    »Will ich auch«, antwortete Küppers, der einen Blick auf die Uhr im Armaturenbrett warf und erschrak.
    »Ach ja!«, sagte die Frau mit schwerer Zunge. Offenbar hatte sie weitergetrunken. »Der hat Sie doch längst abgehakt!« Dann torkelte sie lachend davon.
    Hat er nicht!, hätte Küppers ihr am liebsten hinterhergerufen. Stattdessen strich er sich eilig die Haare glatt, ließ den Motor an und legte den ersten Gang ein.
    Er steuerte den Wagen durch kleine, scheinbar immergleiche Ortschaften. Der kühle, zum geöffneten Fenster hereinwirbelnde Fahrtwind fuhr ihm angenehm ins Gesicht. Und dabei dachte er: Ich bin gleich da, Robert.
    Irgendwann tauchte linker Hand eine Tankstelle auf, und Küppers setzte den Blinker.
    »Haben Sie Spielsachen?«, fragte er, als er in dem hellerleuchteten Tankstellengebäude dem Angestellten gegenüberstand.
    »Wir sind ’ne Tankstelle und kein Spielwarenladen«, antwortete der knapp. Der Mann trug ein weinrotes Sweatshirt, auf dem in gelben Großbuchstaben der Name des Ölkonzerns stand. Das struppige Haar |35| hing ihm in die Stirn. An seinem linken Ohrläppchen blitzte ein blauer Stein.
    »Irgendwas für einen Achtjährigen werden Sie doch wohl haben«, sagte Küppers. »Ein Spielzeugauto oder so was vielleicht?«
    »Sie können meinen alten Astra haben. Für drei Mille. Dazu kostenlos ’n Eis für Ihren Sprössling.«
    »Finden Sie das witzig?«
    Der andere holte Luft, als wolle er zu einer weiteren Unverschämtheit ansetzen. Doch stattdessen sagte er: »Da hinten müssten Luftballons sein.«
    »Luftballons? Was soll ich denn mit Luftballons?«
    »Keine Ahnung. Aufpusten und fliegen lassen?«
    Ohne ein Wort verließ Küppers die Tankstelle, stieg in seinen Wagen und ließ den Motor an. Die kleine, schwach beleuchtete Uhr im Armaturenbrett zeigte inzwischen zehn vor fünf.
    Küppers glaubte, trotz der rundum verschlossenen Fenster, das stete Summen der Telefonleitungen zu hören, die sich von Haus zu Haus spannten und den dunkelgrauen Himmel zerschnitten, glaubte, es als Vibrieren in seinen Adern zu spüren, wie es durch ihn hindurchkroch und seinen Körper leicht erzittern ließ. Doch er schüttelte dieses Gefühl ab, zog das Handy aus seinem Sakko hervor, drückte die Wahlwiederholung und dachte: Was sage ich bloß? Er schaltete den Motor wieder aus. Wieder erklang dieselbe Frauenstimme wie am Mittag. Ehe er weiter ausholen konnte, sagte die Frau: »Robert hat den ganzen Nachmittag auf Sie gewartet.«
    »Haben Sie ihm gesagt, dass ich angerufen habe?«
    |36| Doch ohne auf seine Frage einzugehen, sagte die Schwester: »Das hätten Sie ihm nicht antun dürfen. Nicht nach der langen Zeit. Robert hat bitterlich geweint. Ich sage ihm, dass Sie noch einmal angerufen haben.« Dann unterbrach sie die Verbindung.
    Küppers löste den Hörer vom Ohr und ließ den Arm sinken. Dann stieg er aus dem Wagen, schob das Telefon in die Sakkotasche und lief wieder in das Tankstellengebäude.
    »Also doch die Luftballons?«, sagte der Angestellte.
    Ohne den Mann anzusehen, schritt Küppers zu den Getränkeregalen, nahm drei Dosen Bier heraus und ging damit zur Kasse. Dort griff er sich drei Cognacfläschchen aus dem Drahtgestell und knallte die Sachen auf den Tresen. Und dann sagte er: »Wenn Sie jetzt noch ein Wort sagen, bring ich Sie um.«

|37| Drei
    Bronnen hatte sich zwei Tage
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