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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)
Autoren: Maggie Shipstead
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Messingknöpfen vor sich gesehen, kurzes gerade gescheiteltes Haar und dazu sich selbst, wie er einem Jungen beibrachte, einen Schlips zu binden. Wenn es soweit war, wollte er seinen Sohn nach Harvard fahren, ihm helfen, seine Sachen durch den Yard zu tragen, und die Mitbewohner seines Sohnes und deren Väter mit kernigem Händedruck begrüßen. Sein Sohn würde dem Ophidian Club beitreten, und beim Dinner nach der Aufnahmezeremonie würde Winn seinem Sohn zutrinken, der ein Abbild seines Lebens führen und bei jeder Entscheidung bestätigen würde, wie richtig er selbst gehandelt hatte.
    Als das schreiende rote Bündel, das der Arzt zwischen Biddys Beinen hervorzog, unverkennbar weiblich war, traf ihn das vollkommen überraschend. Dieses Kind, das neun Monate in seiner Frau herangereift war, war ein Mädchen. Er, Winn, trug die Saat zu etwas Weiblichem in sich. In den verschlungenen Röhren seiner Samenfabrik gab es, entgegen aller Vernunft, Frauen. Als er sah, wie sich Biddy und Daphneim Krankenhausbett aneinanderschmiegten, ging ihm auf, dass die Annahme, Schwangerschaft und Geburt hätten etwas mit ihm zu tun, ein Irrtum gewesen war. In seiner Vorstellung hatte er durch die Schwängerung seiner Frau dafür gesorgt, dass sie ihm einen Sohn schenkte, der eines Tages seinerseits eine Frau schwängern würde, die ihm einen Sohn schenken würde, und so weiter und so fort bis in die ferne Zukunft der Van Meters. Doch nun war stattdessen dieses kleine Mädchen da, das einen Busen bekommen und den Namen eines anderen Mannes annehmen und neue Sprosse an einem unbekannten Familienstammbaum treiben und ihn auf allerlei Weise verraten würde, wie es ein Sohn niemals getan hätte. Die Verwandlung von Biddys knabenhafter Figur in eine Ansammlung von Sphäroiden, die stille Gemeinschaft, die sie mit ihrem Bauch pflegte, ihr neuer Status unter ihren Schwestern und in ihrer Freundinnenschar – all das hätte ihm sagen sollen, dass er an der Schwelle zu einem Club stand, der ihn nicht haben wollte. Zwar riefen die Frauen: »Du wirst Vaaa-ter!«, und schlossen ihn in die Arme, doch inzwischen war seine Vermutung, dass sie ihn schon die ganze Zeit als das gesehen hatten, was er nun werden würde: das Anhängsel, eine Quelle für zusätzlichen Klatsch, die lahme, aus dem Mittelpunkt der Zuneigung seiner Frau verbannte Ente. Eigentlich hätte seine Überraschung nicht der Tatsache gelten sollen, dass er eine Tochter hatte, sondern dass überhaupt jemals Söhne geboren wurden.
    Als Biddy ihm fünf Jahre darauf verkündete, sie sei wieder schwanger, ging Winn sofort davon aus, dass es ein Mädchen würde. Es war ein abgekartetes Spiel. Daphne war so typisch weiblich, dass ihm die Möglichkeit, aus einer neuen Durchmischung von seinen und Biddys Genen könnte einJunge entstehen, zu abwegig erschien, um sie in Betracht zu ziehen. Biddy erzählte ihm die Neuigkeit morgens im Bett, und er drückte ihr einen festen Kuss auf dem Mund und sagte: »Ja dann!«, um anschließend beim Frühstück hinter der Zeitung versteckt über eine Vasektomie nachzudenken. Er saß am Küchentisch und starrte blind auf die Seiten, als ein gewohntes Rascheln und Klimpern davon kündete, dass Daphne im Anzug war. Sie kletterte auf einen Stuhl und aß rote Weintrauben aus einer Plastiktüte. Im Haar trug sie ein Plastikding mit Glitzersteinen und zinnenartigen Gebilden, und vor der Stuhllehne bauschte sich das Hinterteil ihres Rockes zu einer Wolke aus rosa Tüll.
    »Guten Morgen, Daphne. Hast du heute Tanzen?«
    Sie blinzelte einmal langsam. »Nein, Tanzen ist mittwochs.«
    »Aber ist das denn nicht ein Tanzrock, den du da anhast?«
    »Mein Tutu? Ach, das habe ich mir nur so angezogen.«
    Winn starrte sie an. Sie erwiderte den Blick und spielte mit den Perlen einer der Plastikketten, die um ihren Hals geschlungen waren. Irgendwie hatte sie sich schon in ihrem geringen Alter einen Vorrat an Sätzen und Wendungen angeeignet, die Biddy als keck und er als absurd bezeichnete, die ihrer Tochter aber dazu verhalfen, in der Vorschule aufzutreten wie eine alternde Salonlöwin. Einmal hatten sie sie eine Woche bei Biddys ältester Schwester Tabitha gelassen und waren allein auf die Turks- und Caicosinseln gefahren. Sie hatten gehofft, beim Spielen mit Tabithas Sohn Dryden würde Daphne sich endlich mal ein wenig die Knie schmutzig machen. Doch als sie wiederkamen, war Dryden mit Modeschmuck behängt, und Daphne steckte ihm gerade Spangen ins Haar.
    »Dryden«, sagte
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