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Leichensache

Leichensache

Titel: Leichensache
Autoren: Norbert Horst
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links und rechts, legt die Hand vor die Stirn.
    »Das war so nicht geplant, tut mir Leid.«
    Sie verzieht ihr Gesicht, beugt sich nach vorn, sucht mit der Rechten Halt am Oberarm. Fester Griff, heftiges Schluchzen.
    Das ist unser Mann, keine Frage. Sie nimmt das Taschentuch, lässt sich zu der Besucherbank führen, stützt den Kopf in beide Hände. Stroter biegt um die Ecke.
    »Dumm gelaufen, hm?« Kurze Pause. »Alles klar?«
    »Geht schon wieder.« Stille. »Ist doch ziemlich eindeutig.«
    »Ziemlich eindeutig«, er lächelt gequält, »nicht verwertbar, aber eindeutig.« Er verschwindet im Flur, kommt wieder zurück. »Der Pornoladen kommt in zwanzig Minuten. Vielleicht kommt dabei ja noch was heraus.« Drehung auf dem Absatz, weg.
    Wierwich lehnt sich zurück, den Kopf im Nacken, atmet ruhiger.
    »Tut mir Leid«, sie richtet sich wieder auf, tiefer Seufzer, zieht einen Mundwinkel nach oben, »aber das entzog sich meiner Kontrolle. Es war wie der Sturz mit einer Achterbahn, wenn die Schienen plötzlich steil nach unten führen.« Wieder ruhiger.
    »Muss Ihnen nicht Leid tun, war unser Fehler, ganz klar.« Zeit lassen. »Sie haben schon gehört, verwertbar ist das als Gegenüberstellung nicht, aber ich werd darüber einen Aktenvermerk schreiben. War er’s?«
    Sie beginnt ganz langsam zu nicken, schließt die Augen.
    »Visuell hatte ich gar keine so klare Erinnerung mehr, aber emotional …« Die Lippen zucken wieder.
    »Gut. Sie haben uns trotzdem sehr geholfen. Wissen Sie, auch wenn wir das nicht im Gerichtssaal verwerten können, ist es doch sehr wichtig, wenn wir sicher sind, den Richtigen zu haben. Das ist viel mehr, als Sie denken.«
    Der Fahrstuhl hält mit einem Gurren, Zapp steigt aus mit großen Schritten. Vorsicht, nicht noch einmal.
    »Herr Zapp«, er wendet den Kopf, »kleinen Augenblick. Sie sind sehr pünktlich.« Er zuckt mit den Schultern. »Ich bitte Sie, hier noch einen Moment zu warten.«
    Im Spiegelsaal stehen die Kollegen und rauchen. Engel sitzt gefesselt auf einem Stuhl in der Ecke.
    »Zapp ist da.«
    »Gutt, gutt«, Stroter nimmt Engel die Handfessel ab, führt ihn durch die Spiegeltür hinter die Markierung. »Alles klar.«
    Zapp wartet auf dem Flur, kommt herein, wird von Stroter belehrt. Alles klar. Er geht zum Spiegel, langer Blick. Pause.
    »Ich bin mir nicht sicher. War ja auch nur ein kurzer Moment. Ich glaube, die Vier.«
    Bingo.
    »Soll ich die Vier notieren?« Stroter mit hochgezogenen Brauen. Zapp nickt zögernd, kommt mit nach draußen.
    »Kann ich rauchen?«
    »Ich glaube, das lohnt sich nicht.«
    Stroter winkt wieder herein. Zapp steckt die Zigarette zurück in die Schachtel, bricht den Filter ab, folgt Stroter. Er hält den Kopf dicht an die Scheibe, langer Blick, wiegen.
    »Schwierig, schwierig«, schnauben, scheuern mit Daumen und Zeigefinger am Kinn. »Die Zwei.«
    Leck mich. Stroter verdreht die Augen, dass man nur noch das Weiße sieht.
    »Lassen Sie sich Zeit.« Unterschwellig beschwörender Ton. Pause.
    »Die Zwei? Würde ich jetzt sagen.«
    Er blickt sich um, zuckt mit den Schultern. Wenn schon einer mit Schweinereien sein Geld verdient …
    »Sie dürfen rauchen.«
    14 Uhr 30
    Die Köpfe des Volkes sind nur undeutlich gezeichnet, die Häuser ragen in den hellen Himmel, kaum Striche. Das Gestell hebt sich mit seinen geraden Linien von dem Gewusel des Volkes ab, das Beil ist unten. Auf dem Podest stehen mehrere Menschen, der Scharfrichter hält den Leuten den Kopf hin, die Schnittstelle am Hals ist ausgefranst. So ein Fallbeil müsste eigentlich einen sauberen Schnitt machen. Vielleicht soll das aber auch triefendes Blut sein. Ich kenne das aus einem Schulbuch. Müsste Ludwig XVI. sein. Der hat hier vielleicht Bilder hängen. Dass der da noch nie Ärger gekriegt hat.
    Zawada ist mit dem Bericht durch, schürzt die Lippen, lehnt sich zurück.
    »Wollen Sie eine Aussage machen, Herr Engel?«
    Droste sagt, Engel will. Er legt Zawada einen Bericht auf den Schreibtisch, Zawada liest. Die Schreibkraft registriert den Wink unauffällig, fragt in Eigenregie Engels Personalien ab. Silvana ist unbezahlbar. Wenn Zawada die nicht hätte. Graues Top, Spaghettiträger, schmale Schultern. Hochgesteckte Haare, ein dunkler Flaumwirbel fließt zart vom Haaransatz bis zwischen die braunen Schulterblätter. Sie sieht toll aus.
    Zawada hört sich Engels Gemurmel an, mit Engelsgesicht. Wie immer. Wenn die alle wüssten, was das für ein Menschenverächter ist. Droste wippt mit dem Fuß,
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