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Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Titel: Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)
Autoren: Marie Lu
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Elektors nach einer landesweiten Scheinwahl sein Amt antritt, habe ich keine Ahnung, wie so was abläuft.
    Offenbar tut die gesamte Republik so, als wäre nichts passiert, und wechselt völlig übergangslos zum nächsten Elektor. Jetzt fällt mir wieder ein, dass wir in der Grundschule einmal etwas darüber gelesen haben. Wenn die Zeit für einen neuen Elektor gekommen ist, muss die Regierung dem Volk Zuversicht vermitteln. Trauer sät Unsicherheit und Chaos. Der Blick nach vorn ist die einzige Lösung. Von wegen. Das alles zeigt nur, wie viel Angst die Regierung davor hat, den Bürgern gegenüber Schwäche zu zeigen.
    Aber mir bleibt nur eine Sekunde Zeit, darüber nachzudenken.
    Das neue Gelöbnis ist kaum vorbei, als ein rasender Schmerz durch mein Bein fährt. Bevor ich es verhindern kann, krümme ich mich vornüber und sinke auf mein heiles Knie. Ein paar Soldaten sehen zu uns herüber. Ich lache, so laut ich kann, und versuche die Tränen in meinen Augen wie Lachtränen aussehen zu lassen. June spielt mit, aber ich sehe die Angst in ihrem Gesicht.
    »Komm schon«, zischt sie mir panisch zu. Sie schlingt ihren Arm um meine Taille und ich versuche nach der Hand zu greifen, die sie mir hinstreckt. Auf dem Bürgersteig ringsum werden langsam die Leute auf uns aufmerksam. »Du musst aufstehen.«
    Es kostet mich all meine Kraft, das Lächeln auf meinem Gesicht zu halten. Konzentrier dich auf June. Ich versuche mich zu erheben – und falle wieder hin. Verdammt. Die Schmerzen sind zu schlimm. Grelle Lichtblitze zucken vor meinen Augen. Atmen, befehle ich mir. Du kannst nicht mitten auf der Hauptstraße von Vegas zusammenklappen.
    »Was ist hier los, Soldat?«
    Ein junger Unteroffizier mit haselnussbraunen Augen steht plötzlich vor uns und verschränkt die Arme. Er wirkt etwas gehetzt, scheint aber nicht so sehr in Eile zu sein, dass er bei uns nicht nach dem Rechten sehen könnte. Eine Augenbraue skeptisch hochgezogen, mustert er mich. »Alles in Ordnung? Sie sind kalkweiß im Gesicht, Kamerad.«
    Lauf!, hätte ich June am liebsten zugeschrien. Mach, dass du hier wegkommst, noch ist es nicht zu spät! Aber sie erspart mir die Antwort.
    »Sie müssen ihn entschuldigen, Sir«, wendet sie sich an den Soldaten. »Ich habe noch nie einen Kunden im Bellagio auf einen Schlag so viel trinken sehen.« Sie schüttelt bedauernd den Kopf und macht eine abwehrende Geste. »Sie sollten lieber nicht so nah an ihn rankommen«, fährt sie fort. »Kann sein, dass er sich jeden Moment übergeben muss.«
    Ich bin überrascht – wieder einmal –, wie leicht es ihr fällt, nahtlos zu einem völlig anderen Menschen zu werden. Genauso wie sie mich in den Straßen von Lake an der Nase herumgeführt hat.
    Der Unteroffizier runzelt argwöhnisch die Stirn, bevor er sich wieder mir zuwendet. Sein Blick fällt auf mein verletztes Bein. Obwohl es unter dem dicken Stoff meiner Hose verborgen ist, studiert er es genau. »Ich bin nicht sicher, ob Ihre Begleiterin weiß, wovon sie da redet. Scheint mir eher, als gehörten Sie ins Krankenhaus.« Er hebt die Hand, um einen vorbeifahrenden Krankenwagen herbeizuwinken.
    Ich schüttele den Kopf. »Nein danke, Sir«, bringe ich mit einem kläglichen Lachen heraus. »Die Süße hier erzählt mir bloß zu viele Witze. Mir ist nur mal kurz die Luft weggeblieben – und jetzt brauche ich einfach ’ne ordentliche Mütze Schlaf. Wir –«
    Aber er hört mir überhaupt nicht zu.
    Im Stillen stoße ich einen Fluch aus. Wenn sie uns ins Krankenhaus bringen, werden sie unsere Fingerabdrücke nehmen und dann wissen sie sofort, wer wir sind – die beiden meistgesuchten Verbrecher der Republik. Ich wage es nicht, June anzusehen, aber ich weiß, dass auch sie versucht, einen Weg zu finden, wie sie uns hier rausbringen kann.
    Plötzlich erscheint ein Kopf über der Schulter des Unteroffiziers.
    June und ich erkennen das Mädchen auf den ersten Blick, auch wenn ich es noch nie in einer frisch gebügelten Republikuniform gesehen habe. Um ihren Hals hängt eine Pilotenbrille. Sie geht um den Soldaten herum und bleibt mit einem nachsichtigen Lächeln vor mir stehen. »Hallo!«, sagt sie. »Dachte ich’s mir doch, dass du das bist – ich habe dich wie einen Verrückten die Straße runterstolpern sehen.«
    Der Unteroffizier sieht zu, wie sie mich auf die Füße zieht und mir einen kräftigen Klaps auf den Rücken gibt. Ich zucke zusammen, gleichzeitig aber schenke ich ihr ein breites Grinsen, als würde ich sie schon
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