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Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)

Titel: Leg dich nicht mit Mutti an: Roman (German Edition)
Autoren: Eva Völler
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Reihen aufgelegt wurden, eine nach der anderen. Man konnte dabei zusehen, wie das Dach sich in eine glänzende blaue Schönheit verwandelte.
    »Wie hast du das nur geschafft?«, wollte ich fassungslos wissen.
    »Frag lieber nicht«, sagte Tobias. »Ich könnte deswegen Schwierigkeiten kriegen.«
    Ich war entsetzt. »Hast du die Pfannen gestohlen?«
    »Stehlen kann man nur etwas, das anderen Leuten gehört. Die Pfannen gehören aber unstreitig dir.«
    »Aber man darf sie sich während eines laufenden Konkursverfahrens nicht einfach ohne Erlaubnis holen! Das hat Ines gesagt!«
    »Na ja, wo kein Kläger, da kein Richter. Also habe ich diese ganzen Burschen hier zu einer Wochenendschicht eingeladen, dann sind wir auf den Betriebshof der Firma Jück gefahren, wo ich dem Lagerverwalter meine Polizeimarke gezeigt und ihm erklärt habe, dass die Pfannen beschlagnahmt sind.« Er lachte, als er mein ungläubiges Gesicht sah. »Nein, natürlich war es ein bisschen anders. Eher eine private Aktion. Wir haben einfach die Pfannen geholt und sind damit hergekommen.« Er zeigte zum Himmel, der immer schwärzer wurde. »Es war ja praktisch Notwehr.«
    »Ich bin ziemlich sicher, dass Notwehr was ganz anderes ist.«
    Er grinste. »Ich weiß. Sicherheitshalber habe ich vorher mit deinem Anwalt telefoniert, meinem guten Freund Wolfgang Besser. Er bekam heute Post vom Insolvenzverwalter und hat schon den halben Vormittag versucht, dir Bescheid zu sagen, dass die Pfannen freigegeben sind und du sie holen kannst. Weil du nicht erreichbar warst, hat er mich angerufen, und da bin ich also. Und die Pfannen auch.«
    »Aber wie hast du so schnell …« Hilflos deutete ich hinauf zum Dach.
    »Die Leute zusammengetrommelt?« Er zuckte bescheiden die Achseln. »Edmund Herzog ist Zeugwart in meinem Fußballverein, außerdem sind wir in derselben Mannschaft. Er steht im Tor.«
    »Der Verein, in dem auch Wolfgang Besser Mitglied ist?«
    Tobias nickte. »Fußball ist ein toller Sport. Da findet man Freunde fürs Leben.«
    *
    Bis dahin hatte ich immer angenommen, dass Dachdecker bei Regen grundsätzlich nicht arbeiteten, doch Edmund Herzog erklärte, dass seine Männer hart im Nehmen seien, und wenn nicht gerade eine Sintflut herunterkäme, wären die Pfannen in Nullkommanix drauf, dann hätte die arme Seele endlich Ruh’.
    Mit arme Seele meinte er vermutlich mich, doch ich war viel zu dankbar, um deswegen beleidigt zu sein.
    Was die Sintflut betraf, schienen sich allerdings die schlimmsten Befürchtungen zu bewahrheiten. Zwischendurch ließ der Regen zwar für eine Stunde nach, aber im Laufe des späten Nachmittags nahm er wieder zu und wurde dann immer stärker. Die Dachdecker legten einen Zahn zu und schufteten wie die Berserker, und sie schafften tatsächlich das schier Unmögliche – sie deckten das Dach fertig, bevor es zum Schlimmsten kam!
    Und dazu kam es wirklich, jedenfalls wettermäßig, denn kaum war die letzte Pfanne an Ort und Stelle, öffnete der Himmel alle Schleusen, als hätte er genau auf diesen Moment gewartet. Wie auf Kommando verwandelte sich die Welt in ein nasses, windgepeitschtes Inferno. Die Männer konnten gerade noch ihr Werkzeug einsammeln, triefend vom Gerüst klettern und sich in den Kleinbus flüchten, als auch schon der heftigste Wolkenbruch der letzten Jahre über unseren Köpfen niederging. Begleitet wurden die herabstürzenden Wassermassen von zuckenden Blitzen und Donnerschlägen, die so laut waren, dass man fast taub davon wurde.
    Tobias und ich hatten unter dem Vordach des Hauses Schutz gesucht; wir winkten Edmund Herzog nach, der mit seinem Laster davonfuhr, gefolgt von dem Kleinbus, in dem seine Männer saßen.
    Ich war klatschnass, denn ich hatte die ganze Zeit bis zum Ende der Arbeiten draußen ausgeharrt. Ohne Schirm. Alles andere hätte ich Edmund Herzog und seiner Crew gegenüber unsolidarisch gefunden. Wenn ihnen der Regen nichts ausmachte, konnte ich ihn erst recht ertragen.
    Tobias war genauso nass wie ich. Er war nur einmal zwischendurch im Haus gewesen, um einen Teller der Linsensuppe zu essen, die Helga in Windeseile für die Dachdecker gekocht hatte. Im Laufe des Nachmittags wurden sie in Zweiertrupps in die Küche zum Essenfassen gerufen, und meine Mutter musste beim Servieren helfen und zwischendurch die Toilette putzen.
    Bibbernd sah ich den Wasserfluten zu, die vom Vordach auf die Außentreppe strömten und dabei eine undurchdringliche Wand bildeten.
    »Das ging gerade noch mal gut!«, rief
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