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lebt gefaehrlich

lebt gefaehrlich

Titel: lebt gefaehrlich
Autoren: Dorothy Gilman
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Nerven gegangen waren. Die meisten Händler hatten ihre Waren kleinen Eseln aufgebürdet. Es gab Körbe mit Blumen, Brot, Messingwaren, Stoffballen, Wasserkrüge, Gewürze und Süßigkeiten.
    Alles wurde pausenlos angepriesen, je lauter, desto besser.
    Spielende Kinder kreischten. Aus vergitterten Fenstern und offenen Türen drang sonderbar klagende Musik. Das berauschende Licht der Mittelmeerländer durchflutete die Straßen. Warum hatte sie sich nur eingebildet, daß Istanbul eine graue Stadt sei?
    Allmählich jedoch wurden die Straßen enger, dunkler und einsamer, und Mrs. Pollifax wurde unruhig. Sie suchten jetzt eine Firma, die sich Ramsey Enterprises Ltd. nannte. Das klang solide und typisch britisch. Zum erstenmal fielen ihr die beiden dicken Geldkuverts ein, die in ihrer Handtasche lagen. Und als das Taxi in eine Sackgasse einbog, die auf einer Seite von einer hohen Mauer flankiert wurde, war Mrs. Pollifax überzeugt, daß sie im nächsten Augenblick überfallen und ausgeplündert werden sollte. Sie überlegte, ob sie sich auf ihre Karatekenntnisse verlassen konnte und welchen Schlag sie anwenden sollte, als der Fahrer abbremste, mit dem Kopf auf ein baufälliges Haus an der linken Seite zeigte und verkündete: »Zikzak dreiundzwanzig.«
    »Sind Sie sicher?« fragte sie ungläubig und reichte ihm für alle Fälle nochmals den Zettel mit der Adresse.
     
    »Evet, evet«, sagte er, nickte beleidigt, sprang aus dem Taxi und öffnete ihr den Wagenschlag.
    Mrs. Pollifax kletterte hinaus, bezahlte den Mann - oder überzahlte ihn, dachte sich, daß sie sich mit den türkischen Lira und Kurush noch nicht auskannte - und ging auf die windschiefe Tür zu. Erleichtert stellte sie fest, daß ihre Befürchtungen grundlos waren. Sie befand sich tatsächlich an der richtigen Adresse. Aber was für ein bescheidenes Domizil das war! Auf einem Schildchen über der Glocke stand RAMSEY ENTERPRISES LTD. Darunter verkündete eine verstaubte Tafel: RAMSEY URKUNDENBÜRO IM HOF. Urkundenbüro! dachte Mrs. Pollifax. Auf einer dritten Tafel stand HUBERT LUDLOW RAMSEY, ESQ. Mrs. Pollifax läutete. Nichts geschah. Dumpf schlug der Verkehrslärm an ihr Ohr, und in den welken Bougainvilleas summte eintönig eine Biene. Entschlossen drehte Mrs. Pollifax der Vordertür den Rücken und schritt energisch über den schmalen, festgestampften Lehmpfad zum Urkundenbüro.
    Sie gelangte in einen kleinen, gepflasterten Hof, der von Bougainvilleas eingerahmt war. Ein verstaubter Lastwagen parkte neben einem nicht minder verstaubten alten Jeep. Dahinter lagen mehrere kleine Betonhäuser, die einen besseren Eindruck machten: eine Garage, ein Gebäude mit zwei Oberlichten und ein kleines Büro mit der Aufschrift RAMSEY ENTERPRISES. Die Bürotür stand offen, und als Mrs. Pollifax sich ihr näherte, hörte sie jemand ausgiebig und erbittert in englischer Sprache fluchen.
    »Guten Abend!« rief Mrs. Pollifax freundlich.
    Die Flüche verstummten augenblicklich, und ein rundes, eulenartiges Gesicht erschien hinter der Tür. »Hol's der Teufel!« rief der junge Mann verdutzt aus. Dann sagte er: »Ich bitte vielmals um Vergebung. Haben Sie mich fluchen gehört?«
    »Jedes Wort«, versetzte Mrs. Pollifax liebenswürdig. »Ist das eine Gewohnheit von Ihnen?«
»Es entwickelt sich rasch dazu«, sagte er ärgerlich. »Ich ziehe mir nur ein Hemd über«, erklärte er. »Ich fluche, weil ich in Abwesenheit meines Onkels mehrere Filmaufnahmen gemacht habe und bisher aus keinem einzigen Bild etwas geworden ist. Mein Onkel wird mir den Kopf abreißen. Nein, er wird mich wahrscheinlich rauswerfen.«
»Warum ist nichts aus den Bildern geworden?« erkundigte sich Mrs. Pollifax neugierig.
Seine Stimme kam näher. »Weil ich gestern den Objektivdeckel vergessen habe, und heute sind die Bilder alle überbelichtet.« Unvermittelt erschien er in der Tür. Er war ein kleiner, robuster junger Mann in staubigen Khakishorts, staubigem Hemd und staubigen Stiefeln.
»Dann müssen Sie Colin Ramsey sein«, sagte Mrs. Pollifax herzlich und hielt ihm die Hand hin.
»Ich muß nicht, aber ich bin es«, sagte er mißtrauisch. »Kennen Sie Onkel Hu?«
»Nein, aber Ihre Schwester. Das heißt, ich bin heute mit ihr von London nach Athen geflogen. Ich heiße Mrs. Pollifax. Sie bat mich Sie aufzusuchen und Ihnen ihre Grüße und diesen Ring zu überbringen.«
Sein Gesicht erhellte sich. »Was Sie nicht sagen! Das ist aber verdammt anständig von ihr.« Er griff nach dem Ring und betrachtete
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