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Leben statt kleben

Leben statt kleben

Titel: Leben statt kleben
Autoren: Birgit Medele
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vielleicht weniger zu. Viel Spaß bei den Ausgrabungen!
    Gefühle unterdrücken
    Chaos-Theorie bleibt nicht lange graue Theorie, sie manifestiert sich als tägliche Erfahrung. Dinge entwickeln ein Eigenleben, begeben sich auf Wanderschaft und wachsen uns über den Kopf mit ihrer Nichtsesshaftigkeit. Anstatt friedlich auf dem Schreibtisch liegen zu bleiben, treckt Papier durchs ganze Haus, dringt vor bis in abgelegenste Winkel, um sich dann an den unmöglichsten Stellen einzunisten. Die Rechnung ist nicht mehr aufzufinden. Nach einer Weile löst sich das Rätsel – sie hatte sich in einem Schuhkarton im Küchenschrank verschanzt. Spielsachen für alle Altersgruppen, Zeitschriften und Bücher vermehren sich über Nacht. Die Tür des Kleiderschranks zum Schließen zu bewegen steht einem Workout im Fitnessstudio in nichts nach. Und wenn man sie glücklich wieder aufgekriegt hat, fällt einem rein gar nichts entgegen, was man gerne anziehen würde.
    Mit der Verwaltung unseres Krams beschäftigt, räumen wir uns in einem gemächlichen Tempo durch Tage und Jahre. Wir beschränken uns auf die überschaubaren Fragen: „Wo und wie kann ich meine Siebensachen am besten verstauen?“ Gleichzeitig verhelfen diese Aktiönchen zu einem angenehmen Gefühl der Geschäftigkeit. Rein, raus, runter, rüber. Rein, raus... Nie Stillstand, nie Stille. Wir spielen in unserem Puppenhaus und erkramen uns die Illusion, wichtig und gebraucht zu sein. Die nützlichste Nebenwirkung: Das Umschichten lässt keine Muße, sich mal hinzusetzen und einer eventuellen Leere ins Gesicht zu starren. Den Warums, die unter all den Kisten und Kästen lauern, mit ihren unangenehmen Fragen:„Warum bin ich hier? Was sind meine wirklichen Träume? Wie kann ich mein volles Potential leben?“ Clutter ist eine Schutzmauer, die wir zwischen uns und den großen Themen auftürmen. Ein kunstvoll konstruierter Hindernisparcours, der Eindringlinge auf Distanz hält, die sich nicht mal eben abheften lassen. Wir nehmen den Fuß vom Gaspedal und tauchen ab.
    Manchmal liegt die Wurzel einer Sammelleidenschaft weit zurück. Vielleicht haben Vorfahren auf einer Flucht alles verloren. Wandern Sie in Gedanken durch Ihre Vergangenheit. Wann fing das Horten an? Nach einem Todesfall, einer Trennung, Scheidung? Nach einem traumatischen Kindheitserlebnis? Sie kamen eines Tages von der Schule nach Hause und alle Stofftiere, die Lieblingspuppe oder Eisenbahn waren verschwunden. Die Eltern hatten sie einfach weggegeben. Sie wurden übergangen und verletzt. Und seitdem versuchen Sie (vergeblich), die durch diesen Verlust entstandene Lücke wieder zu füllen. Indem Sie grundsätzlich nie mehr etwas loslassen, die Vergangenheit in Keller und Speicher bewahren, aus den Augen, nicht wirklich aus dem Sinn. Irgendwann trauen wir uns dann nicht mehr, die schlafenden Erinnerungen zu wecken. Solange die Kartons unberührt vor sich hindösen, brauchen wir uns nicht auseinanderzusetzen. Clutter ist ein Kokon. Wir schaffen uns einen als stabil empfundenen Schutzpanzer, eine extra Schicht zwischen uns und der Welt da draußen – oder unserer Innenwelt. Wir entschärfen das Leben, halten es in Kisten verpackt in Zaum. Deckel zu, Etikette drauf, alles paletti. Für eine gewisse Zeit hat dieser Schutz seine Berechtigung. Früher oder später zeichnen sich dann allerdings die Nachteile ab. In einem Kokon sieht man nicht besonders weit. Erst wenn wir den Mut aufbringen, unsere Schutzhülle zu sprengen, entpuppen wir uns als der buntschillernde Schmetterling, der wir wirklich sind. Und fliegen freudig taumelnd unseren Träumen entgegen!
    Sicherheit vorgaukeln
    Vielen Dingen machen wir es viel zu leicht, sich für immer bei uns einzunisten. Sie bestehen die Weggeben-Feuerprobe mit dem meistgehörten aller Sammlerargumente: „Das könnte ich ja vielleicht noch irgendwann einmal gebrauchen.“ Oder falls nicht ich selbst, dann die Kinder. Oder eine Freundin. Vielleicht die Nachbarn? Hinter dieser harmlos klingenden Ausrede verbirgt sich eine Emotion, die lähmt: Angst. Wir selbst haben wahrscheinlich noch nie eine Hungersnot durchlitten, ertappen uns aber trotzdem immer wieder bei einem unterschwelligen ‚Morgen könnte nicht mehr genügend da sein’-Lebensgefühl. Vielleicht haben die Vorfahren einen Krieg miterlebt, eine Flucht oder Wirtschaftsdepression. Armutsmentalität kann sich über Generationen hinweg vererben. Aber wir haben es in der Hand, Angstschwingungen zu transformieren, ein
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